Leitsatz (amtlich)
1. Das Gericht ist nicht verpflichtet, zu dem umstrittenen Inhalt eines Vier-Augen-Gesprächs neben dem Zeugen der Gegenpartei von Amts wegen auch die Partei nach § 448 ZPO zu vernehmen oder nach § 141 ZPO anzuhören. Es bedarf vielmehr eines entsprechenden Antrages der Partei.
2. Wird der Antrag erstmals in der Berufungsinstanz gestellt, so handelt es sich um ein neues Beweismittel, das den Schranken des § 531 Abs. 2 ZPO unterliegt.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 26.06.2009; Aktenzeichen 13 O 3407/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.6.2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Antrag des Klägers, ihm für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf 80.021,33 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine bislang geltend gemachten Ansprüche weiter. In der Berufungsbegründung wiederholt und ergänzt er sein bisheriges Vorbringen. Er beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des LG, auf deren Grundlage die Kammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Kläger die Beklagte bei Aufnahme seines Antrags auf Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung arglistig getäuscht hat.
II. Die Berufung des Klägers ist gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
1. Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss vom 3.3.2010 im Einzelnen ausgeführt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg bietet. Auf diese Darlegungen nimmt er gem. § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug.
2. Das Vorbringen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 15. und 29.3.2010 rechtfertigt keine andere Entscheidung.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers war das LG nicht verpflichtet, ihn von Amts wegen als Partei zu vernehmen (§ 448 ZPO) oder gem. § 141 ZPO anzuhören.
aa) Der Kläger leitet die Notwendigkeit seiner Anhörung aus den Grundsätzen über sog. Vier-Augen-Gespräche ab. Er behauptet, er habe den Zeugen N. L. im März 1994 bei der Aufnahme des fraglichen Versicherungsantrags darüber informiert, dass er wegen seiner Erkrankung, die 1984 zu der Diagnose "Torticollis spasticus" geführt hatte, im Jahr 1985 stationär behandelt worden war. Der Zeuge L. sei, so der Kläger, als Agent der Beklagten ihrem Lager zuzurechnen. Deshalb sei es verfahrensfehlerhaft, dass das LG seine Feststellungen zu der angeblichen arglistigen Täuschung auf die Vernehmung des Zeugen L. gestützt habe, ohne ihm, dem Kläger, Gelegenheit gegeben zu haben, seine Erinnerungen an die Antragsaufnahme im März 1994 persönlich zu schildern. Eine solche Möglichkeit hätte ihm auch ohne einen entsprechenden Antrag eingeräumt werden müssen.
bb) Der Senat verkennt nicht, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) es gebieten können, zu dem umstrittenen Inhalt eines Vier-Augen-Gesprächs nicht nur den Zeugen der Gegenpartei, sondern auch die Partei gem. § 448 ZPO zu vernehmen oder nach § 141 ZPO informatorisch anzuhören (vgl. BVerfG NJW 2001, 2531 f.). Auch das - aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) abzuleitende - Erfordernis grundsätzlicher Waffengleichheit und gleichmäßiger Verteilung des Prozessrisikos kann ein solches Vorgehen notwendig machen (vgl. BVerfG, NJW 2008, 2170, 2171; BGH, Beschl. v. 30.9.2004 - III ZR 369/03, Rz. 3, zitiert nach juris, jeweils m.w.N.).
cc) Daraus folgt allerdings nicht, dass das Gericht eine Partei, die keinen Beweis für ihren Vortrag zum Inhalt eines Vier-Augen-Gesprächs anzubieten vermag, in jedem Fall von Amts wegen informatorisch anhören oder als Partei vernehmen muss. Nach dem Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz, der den Zivilprozess prägt, obliegt es allein den Parteien, den Streitstoff in den Prozess einzuführen, über seine Feststellungsbedürftigkeit zu entscheiden und seine Feststellungen zu ermöglichen. Dementsprechend werden Zeugen nur auf einen entsprechenden Antrag der beweisbelasteten Partei vernommen (§ 373 ZPO). Eine verfahrensrechtliche Gleichstellung der Parteien eines Zivilprozesses verlangt somit nicht, dass die über keine Zeugen verfügende Partei von Amts wegen angehört oder vernommen wird, sondern nur, dass ihre diesbezüglichen Anträge nicht abgelehnt werden. Durch eine zwingende und von Amts wegen vorzunehmende Anhörung oder Vernehmung der sich in Beweisnot befindenden Partei würde diese gegenüber ihrem Gegner, dem es obliegt, einen Beweisantrag zu stellen, begünstigt (vgl. BVerfG, NJW 2008, 2170, 2171).
dd) Diese vom BVerfG ausdrücklich formulierten Grundsätze entziehen der Auffassung des Klägers, er hätte von Amts wegen zu dem fraglichen Vier-Augen-Gespräch mit dem Zeug...