Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauernder Aufenthalt des Betreuten; Zuständigkeitswechsel des Betreuungsgerichts trotz fehlender Abgabereife
Normenkette
FamFG § 4 S. 1, § 273
Verfahrensgang
Tenor
Zuständig ist das AG - Betreuungsgericht - Lehrte.
Gründe
I. Das OLG Oldenburg ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 FamFG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.
1. Mit Beschluss vom 20.1.2014 hat das AG - Betreuungsgericht - Wilhelmshaven das Verfahren - nach Anhörung der Betroffenen und der Betreuerin - aus wichtigem Grund gem. §§ 4, 273 FamFG an das AG - Betreuungsgericht - Lehrte abgegeben. Das AG Lehrte hat die Übernahme erstmals mit richterlicher Verfügung vom 26.3.2014 und sodann mit Verfügung vom 4.6.2014 abgelehnt. Dass die Ablehnung nicht durch förmlichen Beschluss geschehen ist, hindert eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG nicht. Vielmehr genügt es, dass zwei Gerichte in entgegengesetztem Sinne dahin Stellung genommen haben, dass das eine die Sache abgeben, das andere sie aber nicht übernehmen will (vgl. Schöpflin, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Aufl., § 5 FamFG, Rz. 12 m.w.N.).
2. Da das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der BGH ist, wird das zuständige Gericht durch das OLG bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (§ 5 Abs. 2 FamFG), hier also durch das OLG Oldenburg.
II. Zuständig für die vorliegende Betreuungssache ist das AG - Betreuungsgericht - Lehrte. Es liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 4 Satz 1 FamFG für eine Abgabe an das AG Lehrte vor.
Als wichtiger Grund für eine Abgabe i.S.d. § 4 Satz 1 FamFG ist es in der Regel anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zu erfüllen sind (§ 273 FamFG). Beides ist hier der Fall.
1. Die Betroffene hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Amtsgerichtsbezirk Lehrte.
a) Unter dem gewöhnlicher Aufenthalt ist in der Regel der Ort zu verstehen, an dem der Schwerpunkt der Bindungen einer Person in familiärer oder beruflicher Hinsicht, ihr Daseinsmittelpunkt, liegt. Der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, ist nicht erforderlich. Grundsätzlich ist ein Aufenthalt von einer Dauer zu verlangen, die im Unterschied zu dem einfachen oder schlichten Aufenthalt nicht nur gering oder vorübergehend sein darf. Allerdings bedeutet dies nicht, dass im Falle eines Wechsels des Aufenthaltsorts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt immer erst nach Ablauf einer entsprechenden Zeitspanne begründet werden könnte oder bis dahin der frühere gewöhnliche Aufenthalt fortbestehen würde. Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird vielmehr grundsätzlich schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkt sein soll (vgl. BGH NJW 1993, 2047, 2048 f. m.w.N.).
b) Nach diesem Maßstab ist Sehnde im Amtsgerichtsbezirk Lehrte der gewöhnliche Aufenthaltsort der Betroffenen. Dem steht nicht entgegen, dass die Betroffene sich dort nicht freiwillig aufhält, sondern auf Veranlassung ihrer Betreuerin - mit Genehmigung des AG - Betreuungsgericht - Wilhelmshaven - in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht ist.
aa) Zwar wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass das zwangsweise Verbringen an einen Ort oder der unfreiwillige Verbleib - etwa in einer Klinik oder Haftanstalt - prinzipiell keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründe, weil sich der gewöhnliche Lebensmittelpunkt durch eine nur vorübergehende Abwesenheit nicht verändere (vgl. OLG Köln NJW-RR 2007, 517, 518; Thorn, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 5 EGBGB, Rz. 10 m.w.N.). Doch gilt diese Regel zumindest nicht ausnahmslos. Insbesondere kann sich aufgrund der Dauer einer zwangsweisen Unterbringung der gewöhnliche Aufenthaltsort in die betreffende Klinik verlagern (vgl. OLG Köln, a.a.O.; Rausch, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Aufl., § 273 Rz. 2 m.w.N.).
bb) Letzteres ist in der vorliegenden Gestaltung der Fall. Die Betroffene befindet sich - von einer siebentägigen Unterbrechung abgesehen - seit dem 14.10.2013 im Klinikum W ... in Sehnde. Eine Wohnung unterhält sie, soweit ersichtlich, nicht mehr. Das AG - Betreuungsgericht - Wilhelmshaven hat ihre Unterbringung zunächst bis zum 29.8.2014 genehmigt. Nach Aktenlage lässt sich aber keineswegs ausschließen, dass die gesundheitliche Situation eine Verlängerung der Unterbringung erfordern wird. In der Vergangenheit waren bereits mehrfach Unterbringungen in geschlossenen Einrichtungen vonnöten. Bindungen in familiärer oder beruflicher Hinsicht sind nicht vorhanden. Soweit in den Akten von einem "Freund" in Wilhelmshaven die Rede ist, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass dieser einen - trotz der Länge der aktuellen Unterbringung in Sehnde noch fortbestehenden - Daseinsmi...