Leitsatz (amtlich)

1. Zur Behandlung von Zweifeln an der Ledigkeit der Kindesmutter anlässlich der Eintragung einer Vaterschaft ins Geburtenregister aufgrund Anerkenntnisses.

2. Zur Unwirksamkeit einer mittels Stellvertretung im Willen nach islamischen Recht geschlossenen Ehe unter Beachtung deutschen ordre public.

3. Zum Beweiswert somalischer Personenstandsurkunden und deutscher Ausweispapiere im Personenstandsverfahren.

 

Normenkette

BGB §§ 1592, 1594 Abs. 2; EGBGB Art. 19 Abs. 1, S. 1; PStG §§ 9, 27 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 93 III 152/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 12.04.2019 geändert:

Den Antragstellern wird für die Durchführung des Verfahrens für die erste Instanz Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihnen wird Rechtsanwalt DD, Ort1, zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

Das Standesamt Oldenburg wird angewiesen, dem Eintrag im Geburtenbuch des am TT.MM.2018 in Ort1 geborenen Kindes AA (Standesamt Oldenburg, Registernummer G .../2018) den Beteiligten zu 2) mit dem Namen (...) (Familienname) (...) (Vorname) als Vater des Kindes beizuschreiben. Der Eintrag ist mit dem Zusatz zu versehen, dass die Identität des Vaters nicht nachgewiesen ist.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden dem beteiligten Standesamt auferlegt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 5.000,- EUR.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin zu 1) hat am TT.MM.2018 in Ort1 einen Sohn mit dem Vornamen (...) geboren. Der Antragsteller zu 2) hat - noch unter Verwendung seines Aliasnamen - mit Urkunde vom 28.03.2018 gegenüber dem Jugendamt des Landkreises (...) die Vaterschaft für dieses Kind anerkannt (UR-Nr. .../2018, in der beigezogenen Standesamtsakte). Die Antragstellerin zu 1) hat dieser Vaterschaftsanerkennung zugestimmt. Die Antragsteller sind eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige. Über Identitätsnachweise verfügten beide zunächst nicht. Die Antragstellerin zu 1) ist anerkannter Flüchtling mit subsidiären Schutz und verfügt über einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Der Antragsteller zu 2) befindet sich in einem laufenden Asylverfahren, ihm ist der Aufenthalt nach § 55 Abs. 1 AsylG gestattet.

Im Geburtenregister des am TT.MM.2018 geborenen Kindes ist die Antragstellerin mit dem Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" als Mutter eingetragen. Die Eintragung des Antragstellers zu 2) als Kindesvater hat das beteilige Standesamt mit Schreiben vom 14.11.2018 und vom 13.12.2018 abgelehnt. Die Antragstellerin zu 1) habe im Rahmen ihres Asylverfahrens angegeben, in Somalia mit einem Mann nach islamischen Recht verheiratet worden zu sein. Nachforschungen hätten ergeben, dass in Somalia Eheschließungen nach islamischen Recht wirksam seien. Von daher gäbe es Hinweise darauf, dass die Antragstellerin bereits mit einem anderen Mann verheiratet sei, was einer Vaterschaftsanerkennung entgegenstehe.

Die Antragsteller haben hierauf gegenüber dem Amtsgericht Oldenburg beantragt, das beteiligte Standesamt anzuweisen, den Beteiligten zu 2) als Vater in das Geburtenregister für das Kind AA einzutragen. Sie haben vorgetragen, dass die Antragstellerin zu 1) ledig sei.

Mit Beschluss vom 14.04.2019 hat das Amtsgericht den Antrag auf Anweisung des beteiligten Standesamtes, den Antragsteller zu 2) als Vater des Kindes beizuschreiben, abgelehnt und einen Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsteller zurückgewiesen. Vorliegend könne die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nicht festgestellt werden, da in Betracht komme, dass der Anerkennung die Sperrwirkung nach § 1594 Abs. 2 BGB entgegenstehe, da die Kindesmutter bereits mit einem anderen Mann verheiratet sei, der damit Vater des von ihr geborenen Kindes wäre. Für einen derartigen Sachverhalt beständen vorliegend konkrete Anhaltspunkte, da die Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung im Asylverfahren am 25.05.2017 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angegeben habe, in ihrem Heimatland mit einem Mann verheiratet worden zu sein. Die Eheschließung sei nach islamischen Recht im April 2016 erfolgt. Auch wenn nach den Angaben der Antragstellerin davon auszugehen sei, dass die Eheschließung gegen ihren Willen erfolgt sei, müsse zunächst von einer nach dem Heimatrecht der Beteiligten anzuerkennenden Ehe ausgegangen werden.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller zunächst Beschwerde erhoben, soweit darin ihr Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt worden ist. Mit Schriftsatz vom 20.05.2019 haben sie den Beschluss des Amtsgerichts auch in der Hauptsache angefochten. Sie sind der Ansicht, dass eine rein religiös geschlossene Ehe auch nach somalischem Recht unwirksam sei.

Der Senat hat die Beteiligte zu 1) angehört und die Ausländerakten betreffend beide Antragsteller beigezogen. Ferner lag der Verwaltungsvorgang des beteiligten Standesamtes vor. Der Beteiligte zu 2) hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge