Leitsatz (amtlich)
Erschleicht sich ein Versicherungsnehmer in der Krankheitskostenversicherung durch Vorlage fingierter Rechnungen über Jahre erhebliche Leistungen (hier: rd. 150.000 EUR), so kann der Versicherer den Vertrag nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB fristlos kündigen. § 206 Abs. 1 S. 1 VVG steht dem nicht entgegen.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 17.06.2011; Aktenzeichen 13 O 2796/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.6.2011 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht Leistungen aus einer bei der Beklagten unterhaltenen privaten Krankenversicherung geltend. Daneben möchte er feststellen lassen, dass die Krankenversicherung trotz einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten zu unveränderten Konditionen fortbesteht. Eine entsprechende Feststellung hatte er in der ersten Instanz zunächst auch für die bei der Beklagten abgeschlossene Pflegeversicherung begehrt. Durch Beschluss vom 17.6.2011 hat das LG den auf die Pflegeversicherung bezogenen Teil des Rechtsstreits an das Sozialgericht Oldenburg verwiesen.
Der im August 1941 geborene Kläger war, bevor er erkrankte, ab 1998 als Pflegedienstleiter und Bereichsleiter in dem seinerzeit von M. K. betriebenen "M. - Institut für Physiotherapeutische Anwendungen" tätig. Seit 2002 ist er Rentner. Eigenen Angaben zufolge ist er mit Frau K., die von November 2004 bis März 2011 auch seine Mieterin war, gut befreundet. Inzwischen ist über sein Vermögen - durch Beschluss des AG Nordenham vom 12.1.2011 - das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter hat das vorliegende Verfahren aus der Insolvenzmasse freigegeben.
Seit 2003 reichte der Kläger bei der Beklagten regelmäßig Rechnungen über Behandlungspflege- und Physiotherapieleistungen ein. Die Beklagte erstattete daraufhin insgesamt 181.522,75 EUR. Davon entfielen 154.507,29 EUR auf Behandlungspflegerechnungen - insbesondere für Blutzuckerkontrollen und Insulin-Injektionen - sowie 27.015,46 EUR auf Physiotherapierechnungen.
Was die Behandlungspflege betrifft, so legte der Kläger bis September 2005 Rechnungen mit dem Briefkopf "Ambulanter Pflegedienst R ..." vor. Die ab Oktober 2005 übermittelten Belege stammten angeblich von einem Dienstleister namens "Ambulanter Pflege-Service K.". Auf die einzelnen Liquidationen der vermeintlichen Pflegedienste und die darauf bezogenen Leistungsabrechnungen, die die Beklagte als Anlage B 3 vorgelegt hat, wird Bezug genommen.
Die vom Kläger eingereichten Rechnungen für die Physiotherapie wiesen anfänglich das "Median Institut für Physiotherapeutische Anwendungen M. K. l" als Absender aus, danach die "Physiotherapeutin M. K." und schließlich eine "Praxisgemeinschaft Physio-Team". Insoweit wird auf das Anlagenkonvolut B 4 verwiesen.
Für den Abrechnungsmonat Mai 2010 reichte der Kläger zwei zueinander in Widerspruch stehende Rechnungen für angebliche Behandlungspflegeleistungen des Pflegedienstes K. ein. Der anschließende Versuch der Beklagten, sich mit dem Pflegedienst in Verbindung zu setzen, um die Angelegenheit zu klären, scheiterte, weil dort über die auf den Rechnungen ausgewiesenen Kontaktdaten niemand erreicht werden konnte. Daraufhin überprüfte die Beklagte sämtliche eingereichte Rechnungen und wurde auf zahlreiche weitere Ungereimtheiten aufmerksam. Dazu wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 bis 4) Bezug genommen. Letztlich stellte sich heraus, dass zumindest die "Praxisgemeinschaft Physio-Team" und der "Ambulante Pflege Service K." nicht existieren.
Auf die vom Kläger eingereichten Rechnungen des Pflegedienstes K. vom 1.7.2010 über 2.996,28 EUR und vom 1.8.2010 über 2.900,05 EUR erbrachte die Beklagte keine Leistungen mehr. Die genannten Beträge i.H.v. insgesamt 5.896,33 EUR hat der Kläger seiner - bestrittenen - Darstellung auf Seite 2 der Klageschrift zufolge in bar an Pflegekräfte gezahlt. An anderer Stelle - nämlich auf Seite 3 der Klageschrift - und in seiner Anhörung vor dem LG hat der Kläger erklärt, er habe die Rechnung des Pflegedienstes K. für Juni 2010 noch nicht ausgeglichen. Quittungen hat der Kläger für seine angeblichen Barzahlungen nicht erhalten.
Unstreitig noch nicht ausgeglichen sind die Rechnung des Pflegedienstes K. vom 6.8.2010 i.H.v. 257,48 EUR sowie die Rechnungen der "Praxisgemeinschaft Physio-Team" vom 16.7.2010 i.H.v. 290 EUR, vom 21.7.2010 i.H.v. 401,50 EUR und vom 29.7.2010 i.H.v. 390 EUR.
Mit Schreiben vom 24.8.2010 kündigte die Beklagte den Krankenversicherungsvertrag des Klägers fristlos. Zur Begründung führte die Beklagte an, ihre Überprüfungen hätten ergeben, dass die Pflegedienste...