Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 12 O 3570/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 29.03.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege deliktischen Schadensersatzes die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein von der Beklagten produziertes Kraftfahrzeugs.
Der Kläger erwarb mit schriftlichem Kaufvertrag vom 18.09.2017 (Anlage K 1) beim BB Zentrum Ort3 ein gebrauchtes Kraftfahrzeug des Typs PKW1 der Schadstoffklasse EU 6 (Erstzulassung am 29.08.2016) zu einem Kaufpreis von 26.930,- EUR.
Das Automobil, in dem der Motor EA 288 verbaut ist, wies im Zeitpunkt des Erwerbs eine Gesamtfahrleistung von 24.511 km auf. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betrug die Laufleistung des Fahrzeugs 88.065 km.
Das Emissionskontrollsystem (Abgasnachbehandlung), welches zur Reduzierung von NOx-Emissionen eingesetzt wird, kann über verschiedene Konzepte erfolgen. Grundsätzlich erfolgt die Reduzierung der Emissionen bei dem Motor EA 288 über den Einsatz eines Oxidationskatalysators sowie eines Dieselpartikelfilters (DPF) und bei den neueren Motoren zusätzlich über den Einsatz eines NOx-Speicherkatalysators (NSK) oder eines SCR- Katalysators.
In Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 wurde ein sog. Thermofenster sowie (zunächst) eine Fahrkurvenerkennung installiert. Durch das KBA wurde ein Rückruf des Fahrzeugs nicht veranlasst.
Der Kläger hat behauptet, auch der von der Beklagten entwickelte Motor EA 288 sei vom sog. Abgasskandal betroffen. Medienrecherchen hätten offenbart, dass in den Pkw 2 illegale Abschalteinrichtungen verbaut seien. Um den tatsächlichen Schadstoffausstoß produzierter Fahrzeuge zu verschleiern, habe die Beklagte offensichtlich eine Software (Defeat Device) entwickelt, die die Schadstoffreinigung überwiegend so steuere, dass keine oder nur eine reduzierte Abgasnachbehandlung stattfinde. Die Software sei so ausgelegt, dass die Abgasreinigung während eines Abgastests auf einem Prüfstand immer die maximale Reinigungswirkung erziele. Damit habe die Beklagte sichergestellt, dass die Tests für die Zulassung bestanden würden, ohne jedoch diese - nur vorgetäuschten - Emissionswerte im normalen Fahrbetrieb erreichen zu können. Auch die Motoren der Baureihe EA 288 würden über mehrere Strategien verfügen, die die Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb abschalten. Die Software erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder aktiv im Straßenverkehr befinde. In mit dem Motor EA 288 ausgestatteten Fahrzeugmodellen habe die Beklagte ein Software-Update installiert, welches - für das KBA nicht erkennbar - die ursprünglich eingebaute Abschalteinrichtung im Motor durch Entfernen der Fahrkurve unkenntlich gemacht habe. Die in den Testfahrzeugen nach Aufspielen des Updates nicht mehr erkennbare Abschalteinrichtung habe sich die Beklagte "offiziell" durch das KBA und das Bundesverkehrsministerium bestätigen lassen. Das in seinem PKW installierte sog. Thermofenster (innermotorische Abschalteinrichtung), welches regelmäßig mit der ansonsten bestehenden "Versottungs- und Verlackungsgefahr" gerechtfertigt werde, bewirke, dass lediglich in einem Temperaturbereich zwischen 10 und 32 °C die Rückführung von Abgas in den Motor erfolge und eine Abgasreinigung stattfinde. Der von ihm erworbene Pkw halte die vorgeschriebenen Abgaswerte zwar auf dem Rollenprüfstand ein, jedoch nicht dauerhaft im realen Straßenbetrieb, was Messungen ergeben hätten. Die Einrichtung nehme damit Einfluss auf die Abgasrückführung; die Schadstoffgrenzwerte würden nicht eingehalten. Im Hinblick auf das sog. Thermofenster habe sich die Beklagte bewusst gegen den Einsatz der SCR-Technologie und gegen die permanente Abgasreinigung entschieden.
Als weitere Abschalteinrichtung sei in dem Pkw außerhalb des Motors (außermotorische Abschalteinrichtung) ein zu kleiner AdBlue Tank verbaut. Das Einspritzen einer Harnstofflösung (sog. AdBlue-Lösung) reduziere die Stickstoffmenge in den Abgasen. Um Platz in den Fahrzeugen zu sparen, hätte die Beklagte jedoch keine ausreichend großen AdBlue-Tanks verbaut. Die Abgasreinigung durch das Einspritzen der AdBlue-Lösung erfolge daher nur bei bestimmten Fahrweisen, u.a. derjenigen auf dem Prüfstand. Im realen Straßenbetrieb werde der Zufluss von AdBlue hingegen gedrosselt, sodass die Abgas-Richtwerte nicht eingehalten würden. Die Beklagte habe die Software-gesteuerte Zudosierung von AdBlue manipuliert, sodass sich der AdBlue-Tank nur sehr langsam entleert habe. Wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, erkenne es die Prüfstandsituation durch...