Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigenablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Annahme einer Befangenheit des Sachverständigen kann es aus Sicht einer Partei rechtfertigen, wenn dieser eigenmächtig die Grenzen seines Gutachterauftrages überschreitet.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 406 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 05.07.2010; Aktenzeichen 7 O 60/08)

 

Tenor

Der Beschluss des LG Stralsund vom 5.7.2010 wird abgeändert und das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Sachverständigen Dipl.-Bauing. M. L. für begründet erklärt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und statthaft (§§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO). Sie ist auch begründet, denn das Ablehnungsgesuch ist begründet.

Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist gem. §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit hat (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.4.2007 - 5 W 104/08, MDR 2007, 1279). Nicht erforderlich ist auch, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist, und ebenso unerheblich ist, ob er sich für befangen hält (BVerfG, Beschl. v. 2.12.1992, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 17 ff.). Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Ausübung der Sachverständigentätigkeit zu rechtfertigen, sind (nur) objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. In Abgrenzung dazu scheiden rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers als Ablehnungsgrund aus (BGH, Beschl. v. 14.3.2003, IXa ZB 27/03, NJW-RR 2003, 1220 f. m.w.N.; vgl. auch Senatsbeschl. v. 27.5.2010 - 3 W 99/09).

Die Annahme einer Befangenheit des Sachverständigen kann es aus Sicht einer Partei rechtfertigen, wenn dieser eigenmächtig die Grenzen seines Gutachterauftrages überschreitet. Gleiches gilt, wenn er in seinem Gutachten den Prozessbeteiligten unzulässigerweise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits aufzeigt (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.3.2008 - 5 W 42/08, NJW-RR 2008, 1087; OLG München, Beschl. v. 15.5.1996 - 13 W 1665/96, OLGR 1997, 10). Dass er lediglich Rechtsausführungen macht, um darzulegen, wie er den Beweisbeschluss verstanden hat und warum er eine bestimmte Art der Beweisführung gewählt hat, reicht hingegen nicht aus (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.4.1994, 18a W 9/94, MDR 1994, 725; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2001 - 4 W 2519/01, MDR 2002, 291).

Zwar lässt sich vorliegend nicht ohne weiteres feststellen, dass der Sachverständige die Grenzen seines Gutachterauftrages eigenmächtig überschritten hat. Zwar wies der am 31.3.2009 verkündete Beweisbeschluss ein klares Beweisthema aus. Auf das Gutachten des Sachverständigen vom 12.10.2009 und eine prozessleitende Verfügung des LG nahmen die Kläger mit Schriftsatz vom 8.3.2010 nochmals zusammenfassend Stellung, wobei sie sich nicht auf die gutachterlichen Feststellungen beschränkten. Konkrete Fragen, die im ergänzenden schriftlichen Gutachten oder in mündlicher Anhörung dem Sachverständigen zu stellen sind, wies der Schriftsatz nicht aus. Auch das LG formulierte solche nicht, sondern bat den Sachverständigen um ergänzende schriftliche Stellungnahme zu den im Schriftsatz vom 8.3.2010 aufgeworfenen Fragen. Dementsprechend legte der Sachverständige, was letztlich auch seiner schriftlichen Äußerung zum Befangenheitsgesuch entnommen werden kann - orientiert an der Gliederung der Kläger - dar, was aus seiner Sicht zum Vortrag der Kläger zu äußern war. Insoweit kann es beispielsweise nicht zu Lasten des Sachverständigen gewertet werden, dass er im Punkt II. d) zur Höhe des Grenzbewuchses Stellung genommen hat, obgleich dies nicht Gegenstand der ursprünglichen Beweisaufnahme war.

Gleichwohl hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 30.4.2010 rechtliche Würdigungen vorgenommen und insbesondere Äußerungen einfließen lassen, die den Eindruck vermitteln konnten, er wolle bereits Aussagen über die hier streitige Rechtsfrage von Einstandspflichten und Verantwortlichkeiten treffen. In der Gesamtschau kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine objektiv vernünftig denkende Partei in diesen Äußerungen den Versuch sieht, den Prozessparteien den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weisen zu wollen, obgleich dies dem tatsächlichen Willen des Sachverständigen nicht zu entsprechen braucht. So lässt sich die Äußerung zu Ziff. II. a), auf dem Grundstück der Beklagten befände sich ein Kontrollschacht, an dem die Drainage der Kläger auch angeschlossen sei, auch dahin verstehen, dass der Sachverständige ein weiteres Tätigwerden der Beklagten nicht für notwendig erachtet. Die Äußerung zu II. c), welches die Schadensursachen seien, lässt erkennen, dass der Sachverständige die Schadensursachen allein in der Sphäre der Kl...

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