Leitsatz (amtlich)
1. Vorschüsse auf die Prozesskosten (§ 116 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO) sind nur solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger Betrachtung im Falle eines Erfolgs der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird.
2. Bei der Frage, um welchen Betrag die Insolvenzmasse bei Durchführung der beabsichtigten Klageverfolgung voraussichtlich vermehrt wird, sind neben dem Nominalwert der Klage ebenso auch die Prozesskosten und das Vollstreckungsrisiko zu berücksichtigen.
3. Für die Beurteilung, welche Kosten ein Gläubiger aufzubringen hat, ist zunächst der Kreis derjenigen Gläubiger zu bestimmen, denen die Aufbringung zumutbar ist. Auszuscheiden haben die Gläubiger mit einer Minimalforderung (d.h. diejenigen, die an der Gesamtsumme der festgestellten Forderungen selbst mit weniger als 5 % beteiligt sind).
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Beschluss vom 09.07.2007; Aktenzeichen 4 O 261/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der ihm Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Neubrandenburg vom 9.7.2007 - 4 O 435/07 - aufgehoben:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das LG Neubrandenburg mit der Maßgabe zurückverwiesen, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung zu versagen, dass es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten sei, die Kosten aufzubringen.
Gründe
I. Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind erfüllt.
1. Nach den Angaben des Antragstellers, deren Glaubhaftmachung das LG bislang nicht gem. § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt hat, können die Prozesskosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden (§ 116 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO).
2. Danach kommt es entscheidend darauf, ob es den am Gegenstand des (beabsichtigten) Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO). Diese Voraussetzung liegt entgegen der Ansicht des LG vor.
a) Vorschüsse auf die Prozesskosten sind nur solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH NJW-RR 2006, 1064). Von einer Zumutbarkeit ist nur dann auszugehen, wenn der Betrag, den ein Gläubiger bei der Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten hat, denjenigen deutlich übersteigt, den er für die Kosten aufzubringen hat (BGH NJW 1993, 135 [136]).
b) Dies ist hier nicht der Fall.
aa) Bei der Frage, um welchen Betrag die Insolvenzmasse bei Durchführung des beabsichtigten Prozesses voraussichtlich vermehrt wird, kann nicht ohne weiteres vom Nominalwert des geltend gemachten Anspruchs ausgegangen werden. Zu berücksichtigen sind auch das Prozess- und das Vollstreckungsrisiko (BGH NJW-RR 2006, 1064; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 116 Rz. 7a). Zu letzterem hat der Antragsteller vorgetragen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin schlecht seien und ihr Vater mit Rücksicht hierauf in ihrem Namen um eine vergleichsweise Lösung gebeten habe. Dass das sich daraus ergebende Bonitätsrisiko mit 50 % überbewertet ist, hat das LG nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Bei der gebotenen Vergleichsbetrachtung kann deshalb nur von einer zu erwartenden Vermögensmehrung von 19.574,56 EUR ausgegangen werden. Hiervon abzuziehen sind - was das LG nicht beachtet hat - die Kosten des Insolvenzverfahrens (vgl. Zöller, a.a.O., § 116 Rz. 4 m.w.N.). Diese betragen ausweislich der rechnerisch zutreffenden Kostenaufstellung des Antragstellers 14.944,24 EUR. Somit verbleibt eine Verteilungsmasse von 4.630,32 EUR. Bei festgestellten Forderungen in einer Gesamthöhe von 110.965,26 EUR entspricht dies einer Quote von 4,17 %. Der Gläubiger mit der höchsten Forderung (Finanzamt W., lfd. Nr. 16: EUR 19.968,97) erhielte hierauf 832,71 EUR.
bb) Für die Beurteilung der Frage, welche Kosten ein Gläubiger aufzubringen hat, ist zunächst der Kreis derjenigen Gläubiger zu bestimmen, denen die Aufbringung zumutbar ist. Dies ist für das Unternehmen N. Logistik W. (lfd. Nr. 14) zu verneinen, weil der Antragsteller dessen Forderung vorläufig bestritten hat (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., m.w.N.). Ferner scheiden die Gläubiger mit geringen Forderungen als wirtschaftlich Beteiligte i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO aus (OLG Rostock OLGReport Rostock 2003, 254). Wann eine Minimalforderung vorliegt, ist im Einzelfall abhängig von den aufzubringenden Kosten [hier: ca. 3.900 EUR; dazu gleich], der zu erlangenden Quote [hier: 4,17 %] und der Anzahl der Gläubiger [hier: 19] (OLG Düsseldorf MDR 2002, 846). Vorliegend ist davon auszugehen, dass nur solche Insolvenzgläubiger zu Vorschüssen herangezogen w...