Leitsatz (amtlich)

Ist Gegenstand des Versorgungsausgleichs auch ein Anrecht in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und zählt der Berechtigte zu den sog. rentenfernen Jahrgängen, ist das Verfahren in der Regel insgesamt auszusetzen.

 

Verfahrensgang

AG Schwerin (Beschluss vom 02.12.2010; Aktenzeichen 21 F 8/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Versorgungsträgers zu 2 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Schwerin vom 2.12.2010 in der Beschlussformel zu II abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird ausgesetzt.

2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 2.12.2010 (GA 24) hat das AG die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei ist das Gericht von folgenden Anrechten ausgegangen:

Antragstellerin:

Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See 0,0348 Entgeltpunkte

Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See 17,6003 Entgeltpunkte (Ost)

AXA 1.807,04 EUR

Antragsgegner:

Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See 19,2248 Entgeltpunkte (Ost)

Tatsächlich erwarb der Antragsgegner nach Auskunft des Versorgungsträgers zu 2 vom 10.6.2010 (VA 26) während der Ehezeit vom 1.6.1993 bis zum 28.2.2010 außerdem ein Anrecht in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, dem eine Startgutschrift zum 31.12.2001 zugrunde liegt.

Der Beschluss ist dem Versorgungsträger zu 2 am 8.12.2010 zugestellt worden (GA 30).

Gegen den Beschluss wendet sich der Versorgungsträger zu 2 mit der am 16.12.2010 bei dem AG eingegangenen Beschwerde (GA 31). Das Anrecht in der Zusatzversorgung sei nicht berücksichtigt worden.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde ausdrücklich nicht entgegen getreten und beantragt ebenfalls die Richtigstellung (GA 40).

II.1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden (§ 63 FamFG) und vom Erreichen einer Mindestbeschwerdesumme nicht abhängig (§ 228 FamFG).

2. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung, weil das AG das Anrecht des Antragsgegners in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht berücksichtigt hat. Allerdings kann der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden. Vielmehr ist das Verfahren über den Versorgungsausgleich insgesamt gem. § 21 FamFG auszusetzen. Denn der Wert des auszugleichenden Anrechts in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes kann derzeit nicht bestimmt werden.

a) Die Behandlung von Anrechten in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ist für rentenferne Jahrgänge - weil insoweit die Satzungsregelung zur Startgutschrift unwirksam ist (BGH FamRZ 2009, 1901; FamRZ 2009, 296; FamRZ 2009, 211; FamRZ 2008, 1343; anders für rentennahe Jahrgänge: BGH FamRZ 2010, 727) und deshalb der Wert des Anrechts nicht festgestellt werden kann - in der Rechtsprechung umstritten. Das OLG München betrachtet das Anrecht als nicht ausgleichsreif (§ 19 VersAusglG) mit der Folge der Verweisung auf den Versorgungsausgleich nach der Scheidung ("schuldrechtlicher Versorgungsausgleich") gem. § 224 Abs. 4 FamFG, während hinsichtlich der weiteren Anrechte der Versorgungsausgleich sogleich durchzuführen sei (FamRZ 2011, 222 und Beschl. v. 20.9.2010 - 33 UF 801/10). Andere Gerichte setzen den Versorgungsausgleich hinsichtlich des Anrechts in der Zusatzversorgung aus und führen ihn im Übrigen - durch Teilendentscheidung - durch (OLG Brandenburg NJW 2011, 159; OLG Düsseldorf Beschl. v. 10.9.2010 - 7 UF 84/10). Schließlich wird vertreten, das Verfahren über den Versorgungsausgleich sei insgesamt auszusetzen (OLG Karlsruhe Beschl. v. 23.12.2010 - 18 UF 246/10).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Eine fehlende Ausgleichsreife nach § 19 VersAusglG liegt nicht vor: Das Anrecht ist bereits hinreichend verfestigt und kann lediglich derzeit nicht berechnet werden. Im Übrigen bedeutete die Verweisung auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erhebliche, nicht zu rechtfertigende Nachteile für den Ausgleichsberechtigten, weil er keine gesicherte Rechtsposition erlangt. Für eine teilweise Aussetzung und teilweise Durchführung des Versorgungsausgleichs fehlt es bereits an einer Grundlage. § 21 FamFG sieht ausweislich des Wortlautes die Aussetzung des Verfahrens nur insgesamt vor, auch wenn die Entscheidung nur zum Teil von einem Rechtsverhältnis abhängt. Der Versorgungsausgleich kann auch nicht zunächst teilweise abgetrennt oder im Übrigen durch Teilentscheidung erledigt werden, um eine Aussetzung zu ermöglichen. Hierzu besteht auch kein Anlass. Bereits nach alter Rechtslage hat der BGH angenommen, eine Teilentscheidung über die übrigen Anrechte komme nur in Betracht, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten sei oder bald bevorstehe (BGH FamRZ 2009, 950). Dies gilt auch nach Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen (MünchKomm/ZPO/Stein, 3. Aufl., § 221 FamFG Rz. 22). Einer sofortigen Teilentscheidung bedarf es nicht. Vielmehr kann die Ent...

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