Leitsatz (amtlich)
1. Ein Amt ist nach § 127 Abs. 1 S. 6 KV MV lediglich Vertreter der Gemeinde. Eine eigene Verkehrssicherungspflicht des Amtes kommt nicht in Betracht, auch wenn sich die Gemeinde zur Wahrnehmung ihrer Pflichten der Verwaltungsorganisation des übergeordneten Amtes bedient bzw. letzteres die Aufgaben der Gemeinde wahrnimmt.
2. Eine Gemeinde haftet nicht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wenn allein einzelne Stellen einer Straße wegen des Überfrierens von Nässe glatt sind.
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 26.04.2007; Aktenzeichen 4 O 260/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Rostock vom 26.4.2007 - Az.: 4 O 260/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 5.237,07 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus Amtshaftung.
Der Kläger behauptet, er sei am 23.12.2003 gegen 10.30h auf der Karower Straße hinter der Nebelbrücke in der Gemeinde Dobbin-Linstow bei winterlicher Glätte auf der nicht abgestreuten Fahrbahn gestürzt, wobei er einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe. Er habe am Unfalltag Trekkingschuhe mit grobem Profil getragen und trotz besonderer Sorgfalt den Sturz nicht vermeiden können. Auf der Fahrbahn habe es Stellen gegeben, an denen sich Wasser gesammelt habe, das dann überfroren sei; dies sei zum Unfallzeitpunkt nicht erkennbar gewesen, da es in der vorangegangenen Nacht geschneit habe und ein dünner Schneefilm auf der Fahrbahn gewesen sei.
Das LG hat die Klage, mit der der Kläger neben einer Zahlung von insgesamt 237,07 EUR die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 4.000 EUR und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten verfolgt, abgewiesen, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Dies sei, obgleich die Gemeinden verkehrssicherungspflichtig seien, das Amt, wenn die Gemeinde amtsangehörig sei, da dessen Mitarbeitern die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht als delegierte Aufgabe obliege. Darüber hinaus habe auch die Nebenintervenientin ihre Räum- und Streupflichten nicht verletzt. Eine solche bestehe innerhalb der geschlossenen Ortslage nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen; dass hiervon auch der Unfallort erfasst werde, sei nicht ersichtlich. Auch könne nicht erkannt werden, ob sich der Kläger herausgefordert fühlen durfte, die Fahrbahn zu nutzen, weil ein Seitenstreifen nicht geräumt und/oder gestreut gewesen sei. Schließlich überwiege auch die augenscheinliche Selbstgefährdung die etwaige fahrlässige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden ist. Der Kläger meint, das LG habe fehlerhaft angenommen, ein Anspruch bestehe weder ggü. der Beklagten noch ggü. dem Amt als Nebenintervenientin. So sei das LG fälschlich davon ausgegangen, der Kläger habe zum Seitenstreifen vortragen müssen; vielmehr sei unstreitig, dass ein Seitenstreifen nicht existiert habe. Auch sei das LG seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, indem es die Zeugen zum Unfallhergang und dem von dem Kläger getragenen Schuhwerk nicht vernommen habe. Zudem habe das LG fehlerhaft ein erhebliches Mitverschulden des Klägers angenommen; dies würde dazu führen, dass unter den gegebenen Umständen die Bewohner eines Dorfes im Winter ihre Häuser nicht mehr verlassen dürften.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Rostock vom 26.4.2007 - Az.: 4 O 260/06 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld - mindestens i.H.v. 4.000 EUR - nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. an den Kläger 27,07 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 210 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 23.12.2003 zu bezahlen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie meinen, das LG habe zwar unzutreffend die Passivlegitimation der Beklagten verneint, verteidigen aber im Übrigen das landgerichtliche Urteil. Unabhängig von der Amtszugehörigkeit einer Gemeinde trage diese die Sachbefugnis bei behaupteten Ansprüchen wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der Gemeinden. Zutreffend habe aber das LG angenommen, dass die Gemeinde keine Verpflichtung traf, die verkehrsunbedeutende Dorfstraße so abzustreuen, dass...