Leitsatz (amtlich)
1. § 3 Abs. 2 S. 1 EntG M-V setzt für die Enteignung voraus, dass sich der Antragsteller des Enteignungsverfahrens ernsthaft aber vergeblich um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht hat. Ein Ankauf zu angemessenen Bedingungen verlangt das Angebot eines Kaufpreises, der im Wesentlichen den objektiven Verkehrswert des Grundstücks umfasst. Der Verkehrswert des Grundstücks wird auch durch Bodenschätze geprägt, die vom Eigentümer ausgebeutet werden können.
2. Werden grundeigene Bodenschätze für den Grundeigentümer unverwertbar, weil eine Verkehrsanlage die Verwertung verhindert, stellt dies einen Eingriff in das Eigentum dar. Enteignungsrechtlich gibt es keinen sachlichen Grund, um die grundeigenen Bodenschätze bei der Frage der Entschädigung von Grundeigentum, das enteignet werden soll, abzuspalten und getrennt zu behandeln, denn es handelt sich um den Vollentzug von Eigentum, der nach Art. 14 Abs. 3 GG zu entschädigen ist.
3. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesberggesetz in § 124 Abs. 3 und 4 von der Grundsatzentscheidung über die Zuordnung grundeigener Bodenschätze zum Eigentum abweichen wollte, sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass es bei grundeigenen Bodenschätzen bei der aus Art. 14 Abs. 3 GG entwickelten Entschädigungspflicht bleibt.
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 4 O 686/03) |
Tenor
Die Revision der Beteiligten zu 1) gegen das Urteil der Kammer für Baulandsachen des LG Schwerin vom 27.5.2004 - Az.: 4 O 686/03 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kosten der Beteiligten zu 4) und 5) sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides der Beteiligten zu 2), durch den diese einen Antrag der Beteiligten zu 1) auf Enteignung zu Lasten des Beteiligten zu 3) abgelehnt hat.
Der Beteiligte zu 3) ist Eigentümer des früheren Flurstücks 58/1 der Flur 1 der Gemarkung Pinnowhof, das zwischenzeitlich in mehrere Flurstücke geteilt worden ist. Das Altflurstück 58/1 lag im Geltungsbereich des Planfeststellungsbeschlusses für den Neubau der Bundesautobahn A20 Abschnitt Groß Grönau (Landesgrenze Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern) bis Autobahnkreuz Rostock (A19/A20) - Anschlussstelle Wismar Ost bis Anschlussstelle Neukloster/WKE2815 - vom 25.6.1997. Durch diesen Planfeststellungsbeschluss wurde der Neubau der Bundesautobahn A20 im Bereich Anschlussstelle Wismar bis Anschlussstelle Neukloster planfestgestellt. Ausweislich des Planes ist die Inanspruchnahme des Flurstücks 58/1 mit einer Teilfläche von 17.923 qm für den Straßenbau erforderlich.
Das Flurstück 58/1 wurde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses landwirtschaftlich genutzt. Unter der Erdoberfläche des Flurstücks befinden sich in unterschiedlicher Tiefe Kiessande, die nach dem Gutachten G. im Straßenbau ohne weitere Aufbereitung verwendet werden können. Nach Erkenntnissen des Bergamtes Stralsund handelt es sich hingegen um den Bodenschatz Quarz/Quarzit. Unmittelbar angrenzend an das Flurstück 58/1 liegt das Bergwerksfeld Pinnowhof-Süd, für das die Neuper Betonbaustoffwerke GmbH & Co. KG das Bergwerkseigentum innehat. Der Bergbau wird auf dem Bergwerksfeld ausgeübt.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1) erließ die Beteiligte zu 2) am 21.8.1998 den - bestandskräftigen - Besitzeinweisungsbeschluss betreffend eine Teilfläche des Flurstücks 58/1. Die Firma GP P. B. mbH nahm den Teil des Flurstücks 58/1 angrenzend an die von der Beteiligten zu 1) beanspruchten Fläche bergbaulich in Anspruch. Nach dem Vortrag des Beteiligten zu 3) erfolgte diese Inanspruchnahme durch Abbau des auf dem Flurstück 58/1 vorgefundenen Bodenschatzes zum Zwecke des Straßenbaus. Der Straßenbau ist zwischenzeitlich erfolgt. Es liegt ein Abschlussbetriebsplan für diesen Teil des Flurstück 58/1 vor.
Die Beteiligte zu 1) bemühte sich nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses, das Flurstück 58/1 vom Beteiligten zu 3) freihändig zu erwerben. Die Beteiligte zu 1) war bereit, dem Beteiligten zu 3) für den Erwerb einen Geldbetrag in Höhe einer Entschädigung berechnet nach dem Wert des Flurstück als Ackerland zu zahlen. Der Beteiligte zu 3) lehnte dies ab, weil er der Auffassung war, dass auch der Bodenschatz zu bezahlen sei. Dies wiederum lehnte die Beteiligte zu 1) ab. Nachdem die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, beantragte die Beteiligte zu 1) bei der Beteiligten zu 2) die Enteignung gem. § 19 Bundesfernstraßengesetz i.V.m. § 2 Enteignungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (EntG M-V). Die Beteiligte zu 2) lehnte den Enteignungsantrag mit Beschluss vom 9.12.2003 ab. Nach ihrer Auffassung hat die Beteiligte zu 1) die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 EntG M-V nicht erfüllt, da sie sich nicht ernsthaft um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht habe. Das Angebot der Bet...