Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt ist kraft des Anwaltsvertrages verpflichtet, innerhalb der Grenzen des Mandats die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen.
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 29.08.2002; Aktenzeichen 7 O 258/01) |
Tenor
I. Das Urteil des LG Schwerin vom 29.8.2002 wird abgeändert und
1. der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.564 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 28.6.2001 zu zahlen;
2. es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche aus dem Urteil des LG Schwerin vom 15.1.1998 - 7 O 502/96 - zukünftig erwachsenen Schäden zu ersetzen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz sowie die Kosten des Revisionsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Streitwert des Berufungsverfahrens: 34.119,24 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch.
Der Ehemann der Klägerin überließ ihr mit Vertrag vom 28.9.1992 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem in Schwerin belegenen Grundstück. Gemäß dem hierüber geschlossenen Vertrag übernahm die Klägerin als Gegenleistung die Belastungen des Grundstücks zur dinglichen Haftung und zur persönlichen Mithaftung. Am 3.6.1993 wurde die Umschreibung des Grundstückes auf die Klägerin beim Grundbuchamt beantragt. Die Eintragung der Klägerin als Alleineigentümerin erfolgte am 11.10.1995. Eine Gläubigerin des Ehemannes der Klägerin erhob am 4.10.1996 Klage gegen die hiesige Klägerin auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück, da sie den Miteigentumsanteil unentgeltlich und damit anfechtbar im Sinne des Anfechtungsgesetzes erworben habe. Die Klage wurde der hiesigen Klägerin und dortigen Beklagten am 18.10.1996 zugestellt.
Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit ihrer Prozessvertretung. Mit Urteil vom 15.1.1998 wurde die Klägerin antragsgemäß verurteilt. Der Beklagte leitete dieses Urteil weder an die Klägerin noch an deren Verkehrsanwälte weiter. Er legte auch keine Berufung ein, so dass das Urteil rechtskräftig wurde.
Die Klägerin macht geltend, dass das Urteil bei Durchführung der Berufung aufgehoben worden wäre. Sie verlangt daher vom Beklagten den Ersatz der Gerichts- und Anwaltskosten sowie die Feststellung, dass der Beklagte auch für sämtliche weiteren Schäden einzustehen habe, die ihr aus der Vollstreckung entstehen. Wegen der weiteren Sachverhaltsfeststellungen nimmt der Senat auf das Urteil des OLG Rostock vom 2.10.2003 - 7 U 165/02, Bezug.
Das LG Schwerin hat die Klage und das OLG Rostock die hiergegen gerichtete Berufung abgewiesen. Der BGH hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des 7. Zivilsenates aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Wegen der Begründung wird auf das Urteil des BGH vom 15.11.2007 - IX ZR 232/03 (JurBüro 2008, 269), Bezug genommen.
Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, bei Abschluss des Kaufvertrages habe der Wert des Grundstückes den der Belastungen nicht überstiegen. Erst in der Folgezeit habe sie Investitionen vorgenommen, die wertsteigernd gewesen seien.
Ein zum Kauf 1987 und ein zur Haussanierung 1988 gewährter Kredit seien 1990 auf 20.970,50 DM umgestellt worden. Da diese Kredite auf 99 Jahre geschlossen und eine Tilgung nicht vorgesehen gewesen sei, hätten weder die Klägerin noch ihr Ehemann hierauf Tilgungen vorgenommen. Damit valutierten diese Kredite am 11.10.1995 in dieser Höhe. 1992 hätten die Klägerin und ihr Ehemann zwei Kredite bei der B. Bank AG über 82.000 DM und 168.000 DM aufgenommen. Diese wurden über eine Grundschuld, eingetragen im Grundbuch am 22.10.1992, abgesichert. Die Kredite seien bis zum 11.10.1995 annähernd überhaupt nicht getilgt worden. Bei Umschreibung auf die Klägerin 1996 habe das kleinere Engagement einen Saldostand von 79.000 DM aufgewiesen, das über 1680 DM habe noch in gleicher Höhe valutiert.
Zweck der Kredite sei die bauliche Sanierung gewesen. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Kreditbewilligung hätte dann die Klägerin die Grundsanierung des Hauses vorgenommen, bei der nur zwei Mauern des ursprünglichen Hauses stehen geblieben seien. Im Einzelnen seien folgende Maßnahmen ergriffen worden:
- neue Fußböden mit Estrich und Einfachbelag - Aufwand ca. 25.000 DM
- Ersetzung der alten Holzwände durch gemauerte Wände und deren Verputzung - Aufwand ca. 40.000 DM
- Dekorations-/Malerarbeiten - 15.000 DM
- Entfernung und Ersetzung der Elektrik nebst Steckdosen und Sicherungskästen - Aufwand ca. 25.000 DM
- Neufliesen der Sanitärräume, Einbau von Objekten und Armaturen, neue Abflussleitungen verlegen - Aufwand ca. 25.000 DM
- neue Fenster für ca. 30.000 DM
- neue Heizungsanlage inkl. Verrohrung im Haus sowie neuen Heizkörpern, z.T. Fußb...