Leitsatz (amtlich)
1. Anwaltskosten, die im Entschädigungsverfahren nach dem StrEG entstehen, sind nur erstattungsfähig, wenn sie ausdrücklich angemeldet worden sind.
2. Dies kann – binnen der Fristen der §§ 10 Abs. 1 S. 1, 12 StrEG – noch im Justizverwaltungsverfahren, nicht aber mehr im nachfolgenden Streitverfahren nachgeholt werden.
Normenkette
StrEG §§ 10, 12-13
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 06.06.2002; Aktenzeichen 4 O 365/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6.6.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Rostock – Az.: 4 O 365/01 – teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 179,86 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins der EZB seit dem 13.9.2001 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten werden dem Kläger zu 79 % und dem Beklagten zu 2) 1 % auferlegt.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 28 % und der Beklagte 72 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Senat nimmt Bezug auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Im zweiten Rechtszug streiten die Parteien noch über die Frage, ob der Kläger aus § 7 StrEG Gebühren und Auslagen seines Anwaltes als Aufwendungen zur Aufhebung der gegen ihn erlassenen Strafverfolgungsmaßnahme und die – erstmals prozessual geltend gemachten – Anwaltskosten im Entschädigungsverfahren ersetzt verlangen kann.
II. Die – zugelassene – Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.
1. Das gilt nicht für seine Verpflichtung zum Ersatz solcher Aufwendungen, die der Aussetzung des Haftbefehls gedient haben. Dazu hat das LG zu Recht Fahrtkosten des Anwaltes i.H.v. 45,76 DM, ein Abwesenheitsgeld von 60 DM und ein Viertel des Verteidigerhonorars für das Ermittlungsverfahren (= 197,50 DM) gezählt.
a) Bei den Fahrtkosten und dem Abwesenheitsgeld handelt es sich um ausscheidbare Auslagen, die dem Anwalt am 19.8.1998 entstanden sind, um zumindest eine Aussetzung des Haftbefehls gegen den Kläger zu erreichen. Gegen deren Erstattungsfähigkeit bringt die Berufung des Beklagten nichts vor. Sie unterliegt auch keinem Zweifel.
b) Die in der Lit. streitige Frage, ob und wie die Vergütung des Anwaltes für Tätigkeiten zu entschädigen ist, die einerseits auf die Aufhebung einer Strafverfolgungsmaßnahme des Beschuldigten gerichtet sind, andererseits untrennbar mit der allgemeinen Verteidigung zusammenhängen, hat der BGH bereits mit Urt. v. 11.11.1976 (NJW 1977, 957) dahin entschieden, dass dem Betroffenen in diesem Fall eine Entschädigung für Anwaltskosten zustehe, die dem Anteil der Verteidigung gegen die vollzogene entschädigungspflichtige Maßnahme an der gesamten Verteidigung entspricht. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
c) Das LG hat diesen Anteil gem. § 287 ZPO auf 25 % geschätzt. Das greift die Berufung nicht an und unterliegt auch sonst keinen Bedenken.
2. Soweit der Kläger Ersatz für die im Entschädigungsverfahren entstandenen Anwaltskosten verlangt, ist seine Klage unzulässig.
a) Er hat insoweit nicht das nach § 13 StrEG erforderliche Justizverwaltungsverfahren gem. § 10 StrEG durchgeführt. Die Anwaltskosten im Entschädigungsverfahren sind in der An- spruchsanmeldung des Klägers vom 1.12.2000 nicht ausdrücklich enthalten. Über sie hat der Beklagte am 22.5.2001 auch nicht entschieden. Ein Nachschieben von Schadenspositionen ist nur im Entschädigungsverfahren (BGH v. 8.6.1989 – III ZR 82/88, MDR 1989, 975 = NJW 1989, 2619 [2621]), nicht aber mehr im nachfolgenden Streitverfahren zulässig (OLG Hamm, JurBüro 2001, 332 [333]).
b) Der Senat teilt nicht die Ansicht des LG, derzufolge eine ausdrückliche Geltendmachung der im Entschädigungsverfahren entstandenen Anwaltskosten zur Fristwahrung nicht erforderlich sei. Sinn und Zweck der gesetzlichen Fristbestimmungen im StrEG verlangen eine solche ausdrückliche Erklärung. Diese sollen dem öffentlichen Interesse an einer möglichst raschen endgültigen Abwicklung des Entschädigungsverfahrens Rechnung tragen und verhindern, dass der Berechtigte die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs unangemessen verzögern kann (BGHZ 66, 122 [130]). Sie dienen damit nicht nur dem fiskalischen Interesse, Entschädigungsfälle nach einer gewissen Zeit abzuschließen und dem Staat alsbald einen Überblick über bestehende Entschädigungspflichten zu verschaffen (BGHZ 79, 1 [3]), sondern auch der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten (Schätzler, StrEG, 2. Aufl., § 12 Rz. 1). Daraus folgt, dass der Antragsteller grundsätzlich gehalten ist, innerhalb der Fristen der §§ 10, 12 StrEG unter Angabe von Beweismitteln Art und Umfang der Nachteile, für die er Entschädigung begehrt, konkret zu bezeichnen (BGH v. 8.6.1989 – III ZR 82/88, MDR 1989, 975 = NJW 1989, 2619 [2620]; OLG Koblenz v. 11.11.1998 – 1 U 1102/97, OLGReport Koblenz 1999, 127). Zwar ist eine Bezifferung der Schadenshöhe zur Fristwahrung nicht in jedem Fall erforderlich (BGH v. 8.6.1989 – III ZR 82/88, MDR 1989, 975 = NJW 1989, 2619 ...