Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Grundsätzen der Vertragsauslegung und zur Abgrenzung einer Individualvereinbarung von einer Formularklausel.
2. Haftung bei endgültigem Scheitern eines wegen Fehlens einer Genehmigung schwebend unwirksamen Grundstückskaufvertrages.
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 03.11.2006; Aktenzeichen 9 O 407/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Rostock vom 3.11.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter Zurückweisung der mit der Berufung weiter verfolgten Klageanträge zu 1. und 2. wird die Klage hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Antrages zu 3. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Gründe
I. Mit notariellem Vertrag vom 13.12.1996 verpflichtete sich die Beklagte, zugunsten der Klägerin an einer noch zu vermessenen Teilfläche der Flurstücke 193/3 und 195/6 ein Erbbaurecht zu bestellen. Weil das Grundstück der Restitution zugunsten Herrn O. H. (im Folgenden "Berechtigter" genannt) unterfiel, scheiterte die Durchführung des Vertrages. Die Klägerin begehrt deshalb Schadensersatz von der Beklagten.
Am 14.11.1990 erging ein Vermögenszuordnungsbescheid zugunsten der beklagten Stadt. Deren Eintragung im Grundbuch als Eigentümerin erfolgte am 22.2.1991. Mit Bescheid vom 25.5.1993 wurde der Restitutionsantrag des Berechtigten abgelehnt. Der Widerspruch hiergegen wurde unter dem 3.11.1995 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid ging der beklagten Stadt am 15.11.1995 zu. Vom 13.12.1996 datiert der streitgegenständliche Vertrag. Die Klägerin übersandte dem Landkreis den Bauantrag am 23.12.1996. Hiervon erhielt die beklagte Stadt am 6.1.1997 Kenntnis. Am 7.2.1997 beantragte der Streithelfer die GVO-Genehmigung. Unter dem 27.6.1997 schrieb er an die Parteien, dass das Flurstück 195/6 mit einer Klage beim VG belastet sei. Dieses Schreiben ist unstreitig Herrn B. B. zugegangen, dass das Schreiben auch der Klägerin damit zugegangen sei, stellt diese in Abrede. Unter dem 11.8.1997 schrieb der Streithelfer an die beklagte Stadt u.a. Folgendes:
"... komme ich zurück auf mein Schreiben vom 27.6.1997. Darin hatte ich Ihnen u.a. mitgeteilt, dass das Flurstück 195/6 mit einer Klage bei dem VG Schwerin belastet ist.
Um eine Beschleunigung der Sache herbeizuführen, könnten Sie selbst mit dem Landkreis Bad D. (...) oder mit dem zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Kontakt aufnehmen ..."
Mit Schreiben vom 23.3.1998 übersandte der Streithelfer die Genehmigung nach § 57 der Kommunalverfassung an das zuständige Grundbuchamt. Unter dem 18.11.1998 teilt er diesem mit, dass die Eintragungshindernisse seit Anfang des Jahres behoben seien und bat um schnellstmögliche Eintragung; dieses Schreiben konnte das Grundbuchamt nicht zuordnen und es ging an den Streithelfer zurück.
Unter dem "14.2.1999" schrieb das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen an die beklagte Stadt:
"... Anliegend übersende ich Ihnen das Schreiben des VG Schwerin in Kopie und bitte mir mitzuteilen, wie die Flurstücke 195/15; 195/16; 195/17 und 260/1 heute genutzt werden und ob ggf. ein Vergleich mit den Klägern denkbar wäre ..."
Das in Bezug genommene Schreiben des VG Schwerin war an die Prozessbevollmächtigten des Berechtigten adressiert; das VG teilte u.a. mit, dass das Verfahren seit über drei Jahren nicht betrieben worden sei.
Am 10.5.1999 wurde das Erbbaurecht auf abgeschriebenen Flächen (Flurstück 195/17: 14.434 m2, Flurstück 193/12: 8.753 m2) eingetragen. Die entsprechende Mitteilung an den Streithelfer datiert vom 17.5.1999.
Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nahmen der Berechtigte und die beklagte Stadt Vergleichsgespräche auf. Auf einen Vergleichsvorschlag der beklagten Stadt vom 24.8.2000 unterbreitete der Berechtigte mit Schreiben vom 24.10.2000 einen eigenen Vergleichsvorschlag. Diesen lehnte die beklagte Stadt unter dem 14.11.2000 ab und bat das VG um Fortgang des Verfahrens. Mit Urteil vom 21.3.2001 ordnete das VG Schwerin (Az.: 3 A 1841/95) die Rückübertragung an; das Urteil ist rechtskräftig seit dem 14.8.2001. Am 15.8.2001 wurde ein Widerspruch zugunsten des Berechtigten in das Grundbuch eingetragen. Unter dem 10.1.2002 forderte die Klägerin die beklagte Stadt auf, bis zum 31.3.2002 für die dauerhafte Eintragung ihres Erbbaurechts zu sorgen.
Das LG hat die beklagte Stadt verurteilt, an die Klägerin 199.785,44 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe nur ein Anspruch in Höhe des negativen Interesses zu. Ferner sei bei den geltend gemachten Schadenspositionen anspruchsmindernd bzw. anspruchsausschließend zu berücksichtigen, das der Streithelfer auch die Klägerin mit Schreiben vom 27.6.1997 über den Rechtsstreit vor dem VG Schwerin informiert habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin in erster Linie ihren vermeintlichen Schadensersatzanspruch i.H.v. 6 Mio. EUR wegen Nichterfüllung des Vert...