Normenkette
HaftPflG § 2 Abs. 1–3; KommVerf. M-V § 2 Abs. 2; LandeswasserG M-V § 40
Verfahrensgang
LG Stralsund (Aktenzeichen 6 O 78/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 10.5.2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Stralsund – Az.: 6 O 78/99 – unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Kläger 2.765,31 Euro (= 5.408,48 DM) zzgl. 4 % Zinsen seit dem 23.9.1997 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Kläger die gesamten außergerichtlichen Kosten der früheren Beklagten zu 2) sowie 40 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1). Die übrigen 60 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu 1) zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger und die Gerichtskosten sind jeweils von der Beklagten zu 1) zu 30 % und von den Klägern zu 70 % zu tragen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 15 % und die Beklagte zu 1) 85 %.
Die Kosten des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens – 6 OH 24/96 – sind von den Klägern zu 40 % und von der Beklagten zu 1) zu 60 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Kläger nehmen die beklagte Wasser- und Abwassergesellschaft (im Folgenden: die Beklagte) gem. § 2 Abs. 1 HaftPflG auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem im Sommer 1996 ein auf einem benachbarten Grundstück errichtetes Regenwasserrückhaltebecken übergelaufen und erhebliche Wassermassen über ihr eigenes Grundstück in den Keller ihres Wohnhauses im Ortsteil D. eingedrungen waren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).
Mit diesem Urteil hat die Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Stralsund die Klage, soweit sich diese auch gegen die Stadt S. (frühere Beklagte zu 2)) richtete, abgewiesen und die Beklagte unter Abweisung der weiter gehenden Klage zur Zahlung von 6.219,75 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 23.9.1997 sowie zur Übernahme von 2/3 der Kosten des vorausgegangenen selbstständigen Beweissicherungsverfahrens verurteilt.
Hiergegen wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der diese auch weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Sie nimmt in Abrede, Inhaberin der betreffenden Rohrleitungsanlage der kommunalen Regenwasserentwässerung zu sein. Ferner vertritt die Beklagte den Standpunkt, das übergelaufene Rückhaltebecken sei kein Bestandteil der fraglichen Rohrleitungsanlage. Zudem beruft sie sich auf den Haftungsausschluss nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 HaftPflG (höhere Gewalt).
B. Die – zulässige – Berufung ist im Wesentlichen unbegründet.
Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unabhängig von einem wie auch immer gearteten Verschulden der Beklagten nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG dem Grunde nach zu.
Danach ist der Inhaber einer Rohrleitungsanlage zum Schadensersatz verpflichtet, wenn durch die Wirkungen von Flüssigkeiten, die von der Rohrleitungsanlage ausgehen, eine Sache beschädigt wird (sog. Wirkungshaftung). Die Ersatzpflicht ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht worden ist (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 HaftPflG).
Die sog. Zustandshaftung nach § 2 Abs. 1 S. 2 HaftPflG, die einen Schaden voraussetzt, der auf die Existenz der Rohrleitungsanlage als solche, nicht aber auf die Wirkungen der transportierten Flüssigkeit zurückzuführen ist, kommt demgegenüber ersichtlich nicht in Betracht.
1. Die Beklagte haftet als Inhaberin der fraglichen Rohrleitungsanlage.
a) Inhaber einer Rohrleitungsanlage ist, wer tatsächlich über die Anlage verfügt, d.h. wer tatsächlich in der Lage ist, Schäden aus der Anlage zu verhindern, und wer nach außen als für die Anlage Verantwortlicher auftritt (vgl. Geigel/Kunschert, Haftpflichtprozess, 23. Aufl. (2001), Rz. 51 zu Kap. 22 – S. 705/706 – m.w.N.).
Dabei sind – wovon das LG zutreffend ausgegangen ist – die Eigentumsverhältnisse ebenso wenig von Bedeutung wie der Umstand, dass die Abwasserbeseitigung gem. § 2 Abs. 2 KV-MV und § 40 Abs. 1 LandeswasserG zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises (Selbstverwaltungsaufgaben) der Gemeinden gehört und grundsätzlich hoheitlich ausgestaltet ist.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus § 40 Abs. 4 Abs. 1 LandeswasserG nicht zwingend, dass allein die abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinden als Inhaber der Abwasserentsorgungseinrichtungen ihres Zuständigkeitsbereichs angesehen werden müssen. Diese Vorschrift bestimmt lediglich, dass die Gemeinden ihre Aufgaben auf andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, insb. Zweckverbände oder Wasserverbände, übertragen können. Sie besagt indes nicht, dass die Regenwasserbeseitigungsanlagen zwingend hoheitlich betrieben werden müssen; sie steht insb. nicht einer Regelun...