Leitsatz (amtlich)

Bei fehlender Vertretungsmacht wegen eines paritätischen Wechselmodells ist für den Kindesunterhalt begehrenden Elternteil Ergänzungspflegschaft anzuordnen. Die Geltendmachung von Unterhalt im Wechselmodell stellt regelmäßig keine situative Angelegenheit dar, die bei der Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach dem Normzweck des § 1828 BGB erforderlich ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1628, 1629 Abs. 2 S. 2, § 1809 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Beschluss vom 07.10.2022; Aktenzeichen 2 F 987/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart-Bad Cannstatt vom 07.10.2022 (2 F 987/22) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Berechtigung zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen für ihr gemeinsames Kind.

Die nichtverheirateten Beteiligten sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Kindes ..., geboren am .... Seit dem Jahr 2018 praktizierten sie auf der Grundlage einer Umgangsvereinbarung vom 07.11.2018 ein paritätisches Wechselmodell, in dem das Kind jeweils wöchentlich wechselnd von den Beteiligten betreut wird. In Ziffer 2 der Vereinbarung ist festgehalten, dass sich das Kind samstagvormittags während der Arbeit der Antragstellerin regelmäßig bei dem Antragsgegner aufhält. Diese Samstagsarbeit der Antragstellerin ist seit Juni 2022 beendet.

Diese Betreuung des Kindes wurde durch den Antragsgegner am 17.04.2022 einseitig beendet, indem er der Antragstellerin das Kind nicht entsprechend der Vereinbarung übergab, sondern zurückbehielt und im weiteren einen Kontakt zwischen der Antragstellerin und dem Kind nicht zuließ. Hintergrund waren Vermutungen des Antragsgegners über sexuelle Übergriffe des Lebensgefährten der Antragstellerin zulasten des Kindes. Die Antragstellerin stellte daraufhin Anträge bei dem Familiengericht mit dem Ziel, die Umgangsvereinbarung wieder in Kraft zu setzen und das Wechselmodell fortzuführen.

In der Verhandlung vom 20.06.2022 zum einstweiligen Anordnungsverfahren (2 F 585/22) vereinbarten die Beteiligten, dass das Wechselmodell ab sofort wieder in Kraft gesetzt werde. Als Übergabepunkt wurde der Kindergarten des Kindes vereinbart. Die Antragstellerin verpflichtete sich, einen Kontakt des Kindes zu ihrem Lebensgefährten während der laufenden Verfahren zu verhindern. In den weiteren, noch anhängigen Kindschaftssacheverfahren beim Familiengericht (2 F 627/22 und 2 F 634/22) wurden Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.

Die Antragstellerin machte gegen den Antragsgegner in einem Unterhaltsverfahren (2 F 924/22) Kindesunterhaltsansprüche des Kindes geltend. Auf Hinweis des Gerichts beantragte sie im vorliegenden Verfahren,

dass ihr die Entscheidungskompetenz für das Kind ..., geb. am ..., im Hinblick auf die Geltendmachung von Auskunfts- und Leistungsansprüchen im Hinblick auf Kindesunterhalt seit dem 01.07.2022 übertragen wird.

Hilfsweise beantragte sie,

dass für das Kind ..., geb. am ..., ein Ergänzungspfleger im Hinblick auf die Geltendmachung von Auskunfts- und Leistungsansprüchen im Hinblick auf Kindesunterhalt für die Zeit ab dem 01.07.2022 bestellt wird.

Der Antragsgegner wandte sich gegen den Antrag und beantragte seinerseits, ihm die Entscheidungskompetenz für das Kind im Hinblick auf die Geltendmachung von Auskunfts- und Leistungsansprüchen im Hinblick auf den Kindesunterhalt seit dem 01.07.2022 zu übertragen.

Mit Beschluss vom 07.10.2022 bestellte das Familiengericht unter Abweisung der übrigen Anträge für das Kind eine Ergänzungspflegerin mit dem Aufgabenkreis Ermittlung und Durchsetzung der Auskunfts- und Unterhaltsansprüche des Kindes seit dem 01.07.2022. Zur Begründung führte es aus, die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sei keine Angelegenheit im Sinn des § 1628 BGB. Keiner der Beteiligten habe das Kind im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB in Obhut, weshalb beide das Kind nicht im Unterhaltsverfahren vertreten könnten. Die Beteiligten würden sich gegenseitig zutrauen, das Vermögen des Kindes zu gefährden. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers sei der richtige Weg, da die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen eine Daueraufgabe sei und es sich daher nicht nur um eine situative Entscheidung nach § 1628 BGB handele.

Gegen die ihm am 12.10.2022 zugestellte Entscheidung legte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10.11.2022, bei dem Familiengericht eingegangen am Montag, dem 14.11.2022, Beschwerde ein. Er verfolgt seinen erstinstanzlich geltend gemachten Antrag weiter. Hierzu trägt er vor, dass die Beteiligten tatsächlich kein paritätisches Wechselmodell führen würden. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trage die Antragstellerin. Die Antragstellerin arbeite im Schichtbetrieb und hierbei auch samstags. Er betreue daher das Kind regelmäßig jeden Samstag, was einem paritätischen Wechselmodell wi...

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