Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Berücksichtigung von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei geringem Ausgleichswert
Leitsatz (amtlich)
Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG sollen einzelne Anrechte vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden, wenn sie einen geringen Ausgleichswert aufweisen. Das gilt auch für Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Unbillige Ergebnisse können durch die dem Familiengericht eingeräumte Ermessensausübung vermieden werden.
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Balingen (Beschluss vom 16.02.2010; Aktenzeichen 3 F 271/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Balingen vom 16.2.2010 - 3 F 271/09 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Sowohl der Antragstellerin als auch dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Der Antragstellerin wird Rechtsanwältin M., dem Antragsgegner wird Rechtsanwalt S. beigeordnet.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 1.000 EUR.
Gründe
I. Das Familiengericht hatte die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich mit Rücksicht auf die Regelung des § 2 VAÜG ausgesetzt. Nach dem 1.9.2009 hat es das Verfahren wieder aufgenommen und - nach erfolgtem Hinweis - den Versorgungsausgleich zugunsten des Ehemanns (Antragsgegners) dahin durchgeführt, dass es auf sein Rentenversicherungskonto im Wege der internen Teilung 1,8131 Entgeltpunkte übertrug. Hingegen hat es den Ausgleich von Anrechten unterlassen, die der Antragsgegner seinerseits in der Ehezeit mit 0,8561 Entgeltpunkten (West) und 0,0655 Entgeltpunkten (Ost) erworben hatte. Diese Entscheidung hat es mit der Anwendung von § 18 Abs. 2 VersAusglG begründet.
Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Antragstellerin eine Einbeziehung auch der zuletzt genannten Anrechte in den Versorgungsausgleich. Unter Vorlage eines außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens macht sie geltend, durch die familiengerichtliche Regelung unzumutbar benachteiligt zu sein. Das ergebe sich nicht nur bei Umrechnung der unberücksichtigt gelassenen Entgeltpunkte in Rentenanwartschaften, sondern auch dadurch, dass sie im Hinblick auf ihre maximal erreichbare Rente auf deren Übertragung angewiesen sei. Außerdem sei die Ehe von geringer Dauer gewesen, ein ehebedingter Nachteil nicht entstanden.
Die Antragstellerin beantragt, unter Abänderung des angegriffenen Beschlusses den Versorgungsausgleich durchzuführen unter Einschluss der vom Antragsgegner und Beschwerdegegner erworbenen Anrechte auf Altersvorsorge bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern soweit sie beim Versorgungsausgleich unberücksichtigt geblieben sind als "Bagatelle."
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er sieht die familiengerichtliche Entscheidung in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung. Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen, seien nicht erkennbar.
II. Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Nach § 18 Abs. 1 VersAusglG soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Wie jedoch in § 18 Abs. 2 VersAusglG weiter geregelt ist, soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Hiervon hat es Gebrauch gemacht.
Die Versorgungsbilanz gestaltet sich wie folgt:
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Antragstellerin |
Antragsgegner |
Ausgleichswerte |
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Entgeltpunkte (West) |
1,8131 |
0,4281 |
Entgeltpunkte (Ost) |
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0,0328 |
korrespondierende Kapitalwerte |
9.682,43 EUR |
2.286,16 EUR |
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146,74 EUR |
Differenz Kapitalwerte zugunsten Antragsgegner |
7.249,53 EUR |
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2. Mit der Soll-Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG beabsichtigte der Gesetzgeber eine Vereinfachung (BT-Drucks. 16/11903 vom 11.2.2009, S. 55). Im Übrigen soll nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich einzelner Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert grundsätzlich abgesehen werden. Im Rahmen des dem Familiengericht hierbei eingeräumten Ermessens hat das Gericht anhand des Einzelfalls zu prüfen, ob gleichwohl ein Ausgleich geboten ist. Hierbei kommt es also auf die Versorgungssituation der Ehegatten an. So wäre auch denkbar, dass es der ausgleichsberechtigten Person gerade durch einen geringfügigen Ausgleich gelingt, eine eigene Anwartschaft so aufzufüllen, dass hierdurch eine Wartezeit für den Bezug der Rente erfüllt ist.
Auch kann eine Teilung ausnahmsweise erforderlich sein, wenn die insgesamt aus- gleichsberechtigte Person dringend auf den Wertzuwachs angewiesen ist. Schließlich kommen Fälle in Betracht, bei denen ein Ehegatte über viele kleine Ausgleichswerte verfügt, die in der Summe einen erheblichen Wert darstellen, während der andere Ehegatte nur vergleichsweise geringe Anrechte in der Ehezeit erworben hat (BT-Drucks. 16/11903 vom 11.2.2009, S. 55; BT-Drucks. 16/10144 vom 20.8.2004, S. 61...