Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des § 1626a BGB kann auf die Prüfungskriterien des § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB zurückgegriffen werden. § 1626a BGB enthält keine gesetzliche Vermutung oder ein Leitbild dahingehend, dass die gemeinsame elterliche Sorge gegenüber der Alleinsorge vorzugswürdig ist.
Normenkette
BGB §§ 1626a, 1671
Verfahrensgang
AG Ellwangen (Beschluss vom 17.07.2014; Aktenzeichen 5 F 194/14) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten J. H. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Ellwangen vom 17.7.2014 - 5 F 194/14 - wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte J. H. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
II. Der Antrag des Beteiligten J. H. auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligten J. H. (Vater/Antragsteller) und die Beteiligten E. M. (Mutter/Antragsgegnerin) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Kindes D. M., geboren am 0.0.2004. Eine Sorgeerklärung wurde nicht abgegeben.
Das Kind lebte nach der Geburt im Haushalt der Mutter und hatte bis November 2010 regelmäßigen Umgang mit dem Vater. Nach einem Aufenthalt des Kindes in einer Trauma-Klinik Ende 2010/Anfang 2011 fand entsprechend seinem Willen kein weiterer Kontakt zwischen Vater und Sohn mehr statt. Von Oktober 2012 bis zum 30.7.2014 befand sich das Kind in stationärer Heimunterbringung in der Marienpflege E., seit August 2014 ist es wieder in den mütterlichen Haushalt zurückgekehrt. Zwischen den Eltern besteht ebenfalls seit mehreren Jahren kein Kontakt mehr, nachdem im Jahr 2008 in zwei Fällen bei unterschiedlichen Mediatoren Beratungsgespräche gescheitert waren.
Mit dem Ziel der Wiederanbahnung von Umgangskontakten beantragte der Antragsteller im April 2014 die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten, das Jugendamt hat sich für eine Beibehaltung der Alleinsorge der Mutter ausgesprochen.
Nach Anhörung des Kindes, der Eltern und des Jugendamtes am 15.7.2014 hat das Familiengericht durch Beschluss vom 17.7.2014 den Sorgerechtsantrag des Antragstellers zurückgewiesen.
Ein Antrag des Antragstellers vom 16.7.2014, mit welchem er durch einstweilige Anordnung die Rückführung des Kindes in den Haushalt der Mutter verhindern wollte, blieb erfolglos (Verfahren 5 F 269/14, AG Ellwangen -, welche Akten der Senat beigezogen hat).
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen, das Jugendamt hat in zweiter Instanz keine weitere Stellungnahme abgegeben.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat zu Recht den Antrag des Antragstellers auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind D. M. zurückgewiesen.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung und fügt an:
Gemäß § 1626a Abs. 2 BGB überträgt das Familiengericht in Fällen, in denen die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind und deshalb die elterliche Sorge zunächst der Mutter allein zusteht, die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Für die Prüfung, ob die Übertragung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl widerspricht, kann auf die Kriterien zurückgegriffen werden, die die Rechtsprechung zu § 1671 BGB entwickelt hat. Die gemeinsame Sorge verlangt ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern in den wesentlichen Bereichen der Erziehungsfragen und eine grundsätzliche Konsensfähigkeit. Fehlen objektive Konsensfähigkeit und subjektive Kooperationsbereitschaft im Rahmen eines weiterhin bestehenden erheblichen Paarkonfliktes und hindert dies die Eltern auch an der gemeinsamen Erarbeitung von kindgerechten Lösungen, widerspricht eine gemeinsame Sorge dem Kindeswohl (OLG Schleswig FamRZ 2014, 1374). Dabei ist es, ebenso wie im Rahmen des § 1671 BGB, irrelevant, welcher Elternteil die Verantwortung für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt (OLG Frankfurt FuR 2014, 1374).
Die gemeinsame Sorge ist dann zu verweigern, wenn bei bestehender gemeinsamer Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Antrag auf Alleinsorge Erfolg hätte (OLG München FamRZ 2013, 1747; OLG Koblenz FamRZ 2014, 319; OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 490), was beispielsweise dann nahe liegt, wenn mehrfach eine Einigung über eine Umgangsregelung nicht ohne gerichtliche Entscheidung möglich ist (OLG Brandenburg NJW 2014, 233; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 1120; KG FamRZ 2014, 1375).
Ist wegen der von starken Spannungen geprägten Beziehung der Eltern untereinander mit ständigen Schwierigkeiten bei der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu rechnen, ist diese zu verweigern (OLG Frankfurt NJW 2014, 2201). Dabei ist nicht auf die verbalen Äußerungen der Beteiligten im Verfahren, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, die sich insbesondere durch eine Wertung der Verhalten...