Leitsatz (amtlich)
1. Kostenfestsetzung (Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr): 1. Der am 5.8.2009 in Kraft getretene § 15a RVG findet auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" Anwendung.
2. Das Hauptsacheverfahren und das sich daran anschließende Kostenfestsetzungsverfahren sind i.S.d. § 15a Abs. 2, Alternative 3 RVG nicht "dasselbe Verfahren".
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 20.08.2009; Aktenzeichen 23 O 210/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Abhilfebeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 20.8.2009 - 23 O 210/08, wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 571,15 EUR.
Gründe
1. Zur Sachverhaltsdarstellung wird verwiesen auf den Beschluss des Senats vom 13.5.2009 - 8 W 202/09.
Wegen der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu Lasten des Klägers war dessen sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.2.2009 dem OLG nicht vorgelegt worden. Vielmehr hat die Rechtspflegerin unter Bezugnahme auf die - zwischenzeitlich rechtskräftig gewordene - Entscheidung des Senats vom 11.8.2009 - 8 W 339/09, AGS 2009, 371, im Wege der Abhilfe durch Beschluss vom 20.8.2009 die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abgelehnt und damit den von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Betrag von 846,52 EUR (vgl. Beschluss des Senats vom 13.5.2009 - 8 W 202/09) auf 1.417,67 EUR heraufgesetzt.
Gegen diese am 24.8.2009 zugestellte Abhilfeentscheidung hat nunmehr der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 07./9.9.2009 Beschwerde eingelegt, der der Kläger entgegen getreten ist. Die Parteien streiten über die Anrechnungsproblematik.
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2.a) Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG).
Der Abhilfebeschluss kann vom ursprünglichen Beschwerdegegner mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, wenn sie - wie vorliegend - gem. § 567 ZPO statthaft ist (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 572 Rz. 5; Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 572 Rz. 15).
Sie wurde frist- und formgerecht eingelegt (§ 569 ZPO) und ist damit insgesamt zulässig.
b) In der Sache ist sie jedoch unbegründet.
aa) Die Anwendung des am 5.8.2009 in Kraft getretenen § 15a RVG bei der Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV ist nach der Rechtsprechung des Senats (OLG Stuttgart - rechtskräftig - AGS 2009, 371; ebenso: OLG Koblenz AGS 2009, 420; OLG Köln AGS 2009, 512; OLG München, Beschl. v. 13.10.2009 - 11 W 2244/09, in juris; BGH/2. OLG Stuttgart NJW 2009, 3101) auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" - wie den vorliegenden - auszudehnen.
Danach kommt entgegen der Auffassung des Beklagten eine Reduzierung der geltend gemachten und von der Rechtspflegerin festgesetzten 1,3-Verfahrensgebühr infolge Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf 0,65 nicht in Betracht.
Nach § 15a Abs. 1 RVG wirkt sich die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus. In diesem musste und muss eine Verfahrensgebühr, von den in § 15a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen abgesehen, stets auch dann in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist (BGH NJW 2009, 3101).
bb) Ein Ausnahmefall des § 15a Abs. 2 RVG ist nicht gegeben. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
Unzweifelhaft ist die erstgenannte Alternative (Erfüllung) nicht gegeben.
Die mit der Klage vom 22.10.2008 im Antrag Ziff. 2 als Nebenforderung beanspruchte Geschäftsgebühr von 1.196,43 EUR (einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) wurde auch nicht mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Prozessvergleich vom 16.12.2008 tituliert. Denn er enthält insoweit keine Zahlungspflicht des Beklagten.
Vielmehr beruft sich dieser auf das Vorliegen der dritten Alternative des § 15a Abs. 2 RVG (Geltendmachung beider Gebühren in demselben Verfahren ggü. dem Beklagten).
Was unter "demselben Verfahren" i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG zu verstehen ist, kann der Vorschrift nicht eindeutig entnommen werden. Sofern im Hauptsacheverfahren vor dem Richter und in dem sich auf Grund der dort getroffenen Kostenregelung anschließenden reinen Höheverfahren der Kostenfestsetzung vor dem Rechtspfleger überhaupt dasselbe Verfahren gesehen werden sollte (verneinend: OLG München, Beschluss vom13.10...