Leitsatz (amtlich)
1. Beim übernahmerechtlichen Squeeze-out (§ 39a WpÜG) kann die Angemessenheit der Abfindung nicht in einem Spruchverfahren überprüft werden; der Gesetzgeber hat dies bewusst ausgeschlossen.
2. Die Durchführung eines Spruchverfahrens ist beim übernahmerechtlichen Squeeze-out nicht erforderlich, da den übrigen Aktionären keine Einwendungen zustehen, die sie im gerichtlichen Ausschlussverfahren gem. § 39b WpÜG nicht geltend machen können.
3. Der Vermutung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG, der Angebotspreis entspreche der angemessenen Abfindung, kann nicht entgegen gehalten werden, dass der nach fundamentalanalytischen Methoden ermittelte Unternehmenswert über dem Börsenwert der Zielgesellschaft liegt, auf dem der Angebotspreis grundsätzlich beruht.
4. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz gebietet nicht, den ausgeschlossenen Aktionären im Sinne einer "Meistbegünstigung" anteilig entweder den Börsenwert der Zielgesellschaft oder einen diesen übersteigenden, nach fundamentalanalytischen Methoden ermittelten Unternehmenswert zukommen zu lassen. Durch die Regelungen zur Bestimmung des Angebotspreises in § 31 WpÜG i.V.m. §§ 3 ff. WpÜG-AngebotsVO sowie durch die für das Eingreifen der Vermutung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG erforderliche Annahmequote von 90 % ist in verfassungsrechtlich einwandfreier Weise sichergestellt, dass der Angebotspreis dem Verkehrswert der Aktie entspricht.
Normenkette
WpÜG § 39a
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 11.11.2008; Aktenzeichen 32 O 108/07 KfH AktG) |
Tenor
1. Die Beschwerden der Antragsteller Ziff. 1) bis 3) gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 11.11.2008 - Az. 32 O 108/07 KfH AktG, berichtigt durch Beschluss vom 4.12.2008, werden zurückgewiesen.
2. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 11.11.2008 - Az. 32 O 108/07 KfH AktG, berichtigt durch Beschluss vom 4.12.2008, wird zurückgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin die Hälfte, die Antragsteller tragen jeweils ein Sechstel. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller begehren die Festsetzung einer angemessenen Abfindung für die Übertragung ihrer Aktien an der M. W. AG mit Sitz in W. (M AG) auf die Antragsgegnerin.
I. Die Aktien der Antragsteller an der M AG wurden im Zuge eines übernahmerechtlichen Squeeze-out-Verfahrens auf die Antragsgegnerin übertragen.
1. Das Grundkapital der M AG beträgt 21.504.000 EUR und ist in 8.400.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien unterteilt (Bl. 141).
Die Antragsteller Ziff. 1) bis 3) waren Aktionäre der M AG (Bl. 1, 57, 88 f., 92).
Die Antragsgegnerin erwarb am 27.3.2007 insgesamt 5.416.740 Stückaktien der M AG (entspricht etwa 64,49 % des Grundkapitals), von denen 2.520.000 Stückaktien noch am selben Tag und die übrigen 2.896.740 Stückaktien am 2.4.2007 auf die Antragsgegnerin übertragen wurden; der Erwerb wurde gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG veröffentlicht (Bl. 141).
2. Zum Erwerb der weiteren 2.983.260 Stückaktien der M AG veröffentlichte die Antragsgegnerin am 17.4.2007 ein Pflichtangebot gem. §§ 35 Abs. 2, 14 Abs. 2 und 3 WpÜG zum Preis von 15,74 EUR je Aktie.
Der Angebotspreis entsprach dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Aktien der M AG während der letzten drei Monate vor dem 27.3.2007 (Bl. 144, 250).
Das Angebot wurde für 2.688.984 Aktien angenommen; dies entspricht etwa 90,14 % der Aktien, die noch nicht der Antragsgegnerin gehörten und damit von dem Angebot betroffen waren (Bl. 141).
Danach standen am 8.6.2007 8.105.724 Stückaktien der M AG im Eigentum der Antragsgegnerin, dies entspricht etwa 96,50 % des Grundkapitals (Bl. 142).
3. Auf Antrag der hiesigen Antragsgegnerin vom 16.5.2007, im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht am 29.6.2007 (vgl. AG3), übertrug das LG Frankfurt/M. dieser mit Beschluss vom 2.8.2007 (Az. 3-5 O 138/07, vgl. LG Frankfurt/M., EWiR 2007, 763) diejenigen Stückaktien, die ihr nicht bereits gehörten (Bl. 142). Der Beschluss wurde am 23.8.2007 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht (Bl. 198).
Gegen diesen Beschluss wurde von einem Aktionär sofortige Beschwerde eingelegt; das Rechtsmittel wurde allerdings am 21.9.2007 zurück genommen (Bl. 142). Das LG Frankfurt/M. hat ein Rechtskraftzeugnis erteilt (Bl. 57).
Die Antragsgegnerin hat durch Ad-hoc-Mitteilung vom 21.9.2007 (vgl. AG2) den Eintritt der Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses bekannt gemacht (Bl. 142). Im elektronischen Bundesanzeiger wurde dies am 17.10.2007 bekannt gemacht (Bl. 142, vgl. AG3).
4. Nach dem 21.9.2007 zahlte die Antragsgegnerin den Aktionären, deren Aktien durch den Übertragungsbeschluss auf sie übergegangen waren, eine Barabfindung i.H.v. 15,74 EUR je Aktie zzgl. 0,06 EUR Zinsen je Aktie aus (Bl. 142), insgesamt also 15,80 EUR je Aktie.
II. Die Antragstellerin Ziff. 1) beantragte mit inhaltsgleichen Schriftsätzen vom 12.12.2007 (Bl. 1 ff., Bl. 21 f...