Leitsatz (amtlich)

1. Die Bescheinigung eines ausländischen Gerichts über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gem. §§ 54, 58 EuGVVO erbringt den Beweis für den darin beurkundeten Zustellungsvorgang i.S.v. § 415 ZPO. Der Antragsgegner in einem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils muss den Inhalt der Urkunde daher widerlegen.

2. Wird dem Antragsgegner ein gegen ihn ergangenes Versäumnisurteil erst im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung bekannt, muss er es im Erststaat mit den dort möglichen Rechtsbehelfen - einschließlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - angreifen. Unterlässt er dies, ist die Rüge eines Verstoßes gegen den ordre public mit der Begründung, er habe das Urteil nicht gekannt, ausgeschlossen, wenn es im Erststaat Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegeben hätte.

3. Das Verbot der révision au fond des Art. 45 Abs. 2 EuGVVO greift auch dann, wenn der im Erststaat erwirkte Titel betrügerisch erlangt worden ist, der Beklagte sich jedoch nicht zur Sache eingelassen hat und Versäumnisurteil gegen sich ergehen ließ, wenn deshalb das betrügerische Verhalten des Klägers bei Erlass der Entscheidung nicht erkannt worden ist.

4. Hat der Beklagte die Betrugshandlung erst nach Rechtskraft des gegen ihn ergangenen Urteils erkennen können, so muss er im Erststaat die Wiederaufnahme des Verfahrens betreiben, wenn dies möglich ist, und kann die Einwendung nicht erst im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung erheben.

5. Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung ist der Einwand der (Teil-) Erfüllung unbeachtlich. Dies gilt nach der Neufassung von § 55 und 56 AVAG - in Kraft seit 26.2.2013 - auch dann, wenn die Teilerfüllung unstreitig ist (insoweit offen gelassen vom BGH in NJW 2012, 2663 zum alten Recht).

 

Normenkette

EuGVO Art. 34 Nrn. 1-2, Art. 45 Abs. 2, Art. 54, 58; AVAG §§ 12, 55-56

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 13.03.2013; Aktenzeichen 7 O 94/13)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 7. Zivilkammer des LG Tübingen vom 13.3.2013 - 7 O 94/13 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert: 273.018,71 EUR

 

Gründe

I. Die Antragstellerin verfolgt die Vollstreckbarerklärung eines Versäumungsurteils des LG Wels/Österreich.

Die Antragstellerin erwirkte am 5.11.2008 (nicht, wie in ihrem Antrag angegeben, am 28.10.2008) ein Versäumungsurteil des LG Wels, mit dem der Antragsgegner verurteilt wurde, 273.018,71 EUR nebst 11,5 % Zinsen seit dem 29.5.2008 sowie Prozesskosten i.H.v. 7.961,90 EUR zu bezahlen (Az. 4 Cg 46/08 v).

Mit Beschluss vom 13.3.2013 hat der Vorsitzende der 7. Zivilkammer des LG Tübingen angeordnet, dass dieses Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Die Vollstreckungsklausel wurde von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am selben Tage erteilt.

Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 15.3.2013 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 27.3.2013, gerichtet an das LG Tübingen, hat er hiergegen Beschwerde eingelegt. Das LG Tübingen hat den Beschwerdeschriftsatz an das OLG Stuttgart weitergeleitet, wo er am 4.4.2013 einging.

Der Antragsgegner hat gegen die Vollstreckbarerklärung eingewandt, ihm sei weder die dem österreichischen Versäumnisurteil zugrunde liegende Klageschrift noch das Versäumnisurteil jemals zugestellt worden. Das Urteil sei deshalb in unzulässiger Weise ergangen und dessen Rechtskraft zu Unrecht bescheinigt worden. Zwar sei ihm vom LG Wels/Österreich mit Schreiben vom 2.4.2013 ein Zeugnis des AG M ... in Kopie übersandt worden, wonach die Zustellung der Klage, des Auftrags zur Klagebeantwortung und des Beschlusses zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten am 8.9.2008 durch Einlegung in den zu seiner damaligen Wohnung B ... in ...(Ort) gehörenden Briefkasten erfolgt sei, nachdem bei einem Zustellungsversuch in seiner Wohnung niemand angetroffen worden sei.

In dem Zeugnis wird bescheinigt, dass die Zustellung nach deutschen Vorschriften wirksam vorgenommen worden sei. Ferner wurde erklärt, dass das Versäumungsurteil nach österreichischem Recht im Akt hinterlegt wurde und dies als Zustellung gelte, weshalb es keinen Zustellnachweis gebe.

Der Antragsgegner meint, eine derartige Bescheinigung wie sie das AG M. erteilt habe, möge zwar nach österreichischem Recht wirksam sein. Für das vorliegende Verfahren, auf das deutsches Zivilprozessrecht Anwendung finde, müsse jedoch im Zuge des rechtlichen Gehörs die gem. § 182 ZPO zu errichtende Zustellungsurkunde beigebracht werden. Da diese nicht vorliege, sei der Nachweis der Zustellung der Antragsschrift nicht erbracht. Das Versäumnisurteil beruhe mithin auf einem nicht heilbaren Mangel.

Weiter wendet sich der Antragsgegner auch gegen den titulierten Anspruch selbst. Dies mit der Begründung, er sei Opfer von Straftaten (Betrug, Untreue) geworden, auf denen der mit der Beschwerde angefochtene Titel beruhe. Dazu trägt er vor, die A. Bau GmbH mit ... habe geplant, auf einem Grundstück in W./...

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