Normenkette
GVG § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 102 S. 2
Verfahrensgang
LG Tübingen (Aktenzeichen 21 O 223/01 und 7 O 364/02) |
Nachgehend
Tenor
Zuständig für den Rechtsstreit in erster Instanz ist die 21. Kammer für Handelssachen am LG Tübingen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 20.12.2001 erhob die Klägerin zur Kammer für Handelssachen Klage im Scheckprozess gegen den Beklagten, der sich gegen die Inanspruchnahme aus dem Scheck mit Einwendungen aus dem Grundverhältnis zur Wehr setzt.
Mit inzwischen rechtskräftigem Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 18.4.2002 wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Er hat die Durchführung des Nachverfahrens beantragt. Auf den gleichzeitig gestellten Antrag des Beklagten, der nicht im Handelsregister eingetragen ist, hat die Kammer für Handelssachen den Rechtsstreit an die Zivilkammer wegen „nachträglicher Unzuständigkeit” verwiesen. Diese hält sich ebenfalls nicht für zuständig, weil die verweisende Kammer für Handelssachen u.a. die Regelung in § 95 Abs. 1 Nr. 3 GVG nicht beachtet habe, und hat die Akte deshalb dem OLG zur Bestimmung der zuständigen Kammer vorgelegt.
II. 1. Der Senat ist in entspr. Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Bestimmung der zuständigen Kammer des LG Tübingen zuständig.
Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einer Kammer für Handelssachen und einer Zivilkammer desselben Gerichts ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach – soweit ersichtlich – einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, entspr. anzuwenden (vgl. Kissel, GVG, 3. Aufl., § 102 GVG Rz. 15; Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl., § 36 ZPO Rz. 26; Musielak-Wittschier, 3. Aufl., § 102 GVG Rz. 6; Wolf in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 102 GVG Rz. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 ZPOG Rz. 29; OLG Brandenburg v. 21.6.2000 – 1 AR 37/00, MDR 2000, 1029 = NJW-RR 2001, 429 f.; OLG Stuttgart v. 4.12.1998 – 13 AR 5/98, OLGReport Stuttgart 1999, 98 f.).
Die Entscheidung des BGH (v. 5.10.1999 – x ARZ 247/99, MDR 2000, 536 = NJW 2000, 80 f.) betraf mit dem Zuständigkeitskonflikt zwischen Berufungskammer und erstinstanzlich zuständiger Zivilkammer desselben LG einen – wie der BGH in dieser Entscheidung ausdrücklich hervorhob – anderen Sachverhalt.
2. Zuständig für die Entscheidung des Rechtsstreits im ersten Rechtszug ist trotz des Verweisungsbeschlusses an die Zivilkammer die 21. Kammer für Handelssachen.
Dem Verweisungsbeschluss kommt hier ausnahmsweise nicht die Bindungswirkung des § 102 S. 2 GVG zu.
Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird zwar nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass er auf einem Rechtsirrtum beruht.
Im vorliegenden Fall entbehrt der in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte Verweisungsbeschluss aber jeder gesetzlichen Grundlage, weshalb er jedenfalls als objektiv willkürlich erscheint. In einem solchen Fall entfaltet ein Verweisungsbeschluss nach Auffassung des Senats keine Bindungswirkung (vgl. auch OLG Karlsruhe v. 18.2.1998 – 4 AR 3/98, MDR 1998, 558 = OLGReport Karlsruhe 1998, 281 f.; OLG Hamburg GuT 2002, 114; OLG Frankfurt v. 18.6.2001 – AR 8/01, OLGReport Frankfurt 2001, 242 ff.; OLG Köln NJW-RR 2002, 426 f.; OLG Brandenburg v. 8.3.2001 – 1 AR 7/01, OLGReport Brandenburg 2001, 247 ff.; Wolf in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 102 GVG; Musielak-Wittschier, ZPO 3. Aufl., § 102 GVG Rz. 3; Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl., § 102 GVG Rz. 6).
Die Kammer für Handelssachen hat ausweislich des Wortlauts des Verweisungsbeschlusses die maßgebliche Regelung des § 95 Abs. 1 Nr. 3 GVG gar nicht erwähnt. Aus dieser ergibt sich im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin gerade nicht auch aus dem der Scheckhingabe zugrunde liegenden Rechtsgeschäft Ansprüche erhebt, eindeutig die Zuständigkeit der von der Klägerin zutreffend angerufenen Kammer für Handelssachen. Die Klägerin macht mit ihrer Klage Ansprüche allein auf der Grundlage des Scheckgesetzes geltend.
Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln bestimmt zudem grundsätzlich nur die Klägerseite den Streitgegenstand (vgl. statt vieler Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., Einl. II Rz. 14). Dass der Beklagte im vorliegenden Fall – wie dies häufig geschieht – im Schecknachverfahren Einwendungen aus dem Grundgeschäft erhebt, ändert nichts an dem von der Klägerin allein aus dem Scheck erhobenen Anspruch.
Für die von der Kammer für Handelssachen im ergänzenden Beschluss vom 12.7.2002 vertretene abw. Auffassung ist ein einschlägiger Beleg nicht angegeben und i.Ü. auch sonst nicht ersichtlich. Die Ansicht erweist sich als nicht vertretbar.
Schließlich hat die Kammer für Handelssachen offensichtlich nicht bedacht, dass auf Grund der dem Anerkenntnisvorbehaltsurteil zukommenden Bindungswirkung (vgl. z.B. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 600 Rz. 4) die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen mit dem inzwischen rechtskräftigen Vorbehaltsurteil bindend bejaht ist (vgl. für das Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und denje...