Leitsatz (amtlich)

Wird ein rechtskräftiges Versäumnisurteil im Ausland (hier:Türkei) nicht für vollstreckbar erklärt, weil es nur im Wege der Aufgabe zur Post gem. §§ 183,184 ZPO zugestellt worden ist, so hat der Kläger unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes auf Antrag Anspruch auf eine zusätzliche Zustellung des Urteils im förmlichen Rechthilfewege. Eine - nochmalige - Einspruchsfrist wird dadurch jedoch nicht ausgelöst.

 

Normenkette

ZPO §§ 183-184; GG Art. 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Beschluss vom 17.02.2011; Aktenzeichen 2 O 60/2010)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 23.2.2011 wird der Beschluss des LG Ulm vom 17.2.2011 abgeändert.

Es wird angeordnet, dass das Versäumnisurteil des LG Ulm vom 30.10.2010 im Wege der Auslandszustellung gem. § 183 ZPO zugestellt werden soll. Eine Rechtsmittelbelehrung ist dabei nicht zu erteilen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt mit der am 18.2.2010 eingegangenen Klage von der in der Türkei ansässigen Beklagten die Rückzahlung eines Anlagebetrages.

Durch Verfügung des LG Ulm vom 29.6.2010 wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Die Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsabsicht wurde auf drei Wochen festgesetzt. Gemäß Ziff. 1.6 der Verfügung war die Beklagte verpflichtet, binnen drei Wochen nach Zustellung einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat, falls sie nicht einen Prozessbevollmächtigten bestellt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass dann, wenn kein Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden können, dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben wird.

Die Klageschrift nebst der Verfügung vom 29.6.2010 wurde der Beklagten am 28.9.2010 auf diplomatischem Wege zugestellt (Bl. 54 d.A.). Innerhalb der gesetzten Frist ging weder eine Verteidigungsanzeige ein noch wurde ein Zustellungsbevollmächtigter benannt. Am 29.10.2010 erging ohne mündliche Verhandlung ein - bis auf Abstriche im Zinsanspruch - der Klage stattgebendes Versäumnisurteil (Bl. 58 ff. d.A.), das dem Klägervertreter am 7.12.2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Das zur Rücksendung vorbereitete Empfangsbekenntnis enthält folgenden Vermerk:

Es ist beabsichtigt das Versäumnisurteil an die Beklagte mittels Zustellung durch Aufgabe zur Post zuzustellen.

Am 12.1.2011 wurde das Versäumnisurteil zwecks Zustellung unter der Anschrift der Beklagten der Post übergeben (Bl. 65 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 15.2.2011 beantragte der Kläger die förmliche Zustellung des Versäumnisurteils (Bl. 68 d.A.). Das LG Ulm lehnte den Antrag mit Beschluss vom 17.2.2011 ab (Bl. 69 d.A.). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Versäumnisurteil dem Klägervertreter mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die beabsichtigte Zustellung an die Beklagte durch Aufgabe zur Post übersandt worden sei. Da der Kläger dem nicht entgegengetreten sei, sei das Versäumnisurteil der Beklagten auf diese Weise zugestellt worden. Eine erneute Zustellung komme nicht in Betracht, wenn eine gerichtliche Entscheidung bereits einmal wirksam zugestellt worden sei. Durch eine mehrfache Zustellung auf verschiedenen Wegen entstünde Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Laufs der Rechtsmittelfrist. Der Kläger sei auch nicht rechtlos gestellt, da er von Anfang an die förmliche Zustellung des Urteils hätte beantragen können.

Hiergegen wendet sich der Kläger. Mit Schriftsatz vom 23.2.2011, der bei dem LG Ulm am 24.2.2011 einging, führt der Kläger aus, dass der Justizgewährungsanspruch eine erneute Zustellung in einer von dem ausländischen Staat anerkannten Form gebiete und beantragte erneut die förmliche Zustellung, hilfsweise eine Entscheidung im Beschlusswege, damit die Klagepartei gegebenenfalls ein Rechtsmittel beim zuständigen OLG einlegen könne (Bl. 71 ff. d.A.).

Das LG Ulm hat der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.2.2011 nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 75 f. d.A.).

II. Der Schriftsatz des Klägers vom 23.2.2011 ist als sofortige Beschwerde gegen den (bereits förmlich ergangenen) Beschluss des LG Ulm vom 17.2.2011 (Bl. 69 d.A.) zu verstehen.

Die Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und gem. § 569 ZPO zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Zwar wurde das Versäumnisurteil vom 29.10.2010 durch Aufgabe zur Post gem. § 184 ZPO ordnungsgemäß zugestellt. Gegen die Wirksamkeit der Zustellung bestehen vorliegend keine Bedenken. Insbesondere hat das LG bei der Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, das gem. § 183 ZPO eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Das Verfahren ist, da rechtliche Bedenken - insbesondere verfassungsrechtlicher Art - nicht bestehen, im Zweifel vorzuziehen, da es einfacher, kostengünstiger und wesentlich schneller ist. Teilweise wird sogar vertreten, das zeitaufwendigere förmliche Zustellungsverfahren dür...

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