Verfahrensgang
LG Heilbronn (Entscheidung vom 21.03.2011; Aktenzeichen 5 O 126/09 Sx) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.03.2011 - 5 O 126/09 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.
Die Revision wird hinsichtlich der Frage der Anordnungszuständigkeit gem. § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugelassen.
Streitwert der Berufung: EUR 15.338,76
Gründe
A.
Der Kläger nimmt die in der Türkei ansässige Beklagte als Muttergesellschaft der mittlerweile insolventen mit Sitz in L. in Anspruch und verlangt auf deliktischer Grundlage im Zusammenhang mit dem Erwerb gezeichneter Beteiligungen Schadensersatz in Höhe von EUR 15.338,76 nebst Zinsen.
Die Klage ging am 16.04.2009 bei der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn ein. Mit Eingangsverfügung vom 22.06.2009 ordnete der Kammervorsitzende das schriftliche Vorverfahren an. Die Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsabsicht wurde auf vier Wochen festgesetzt. Zugleich wurde die Beklagte aufgefordert, binnen vier Wochen einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Die Klage nebst der Verfügung vom 22.06.2009 wurde der Beklagten am 10.09.2009 im Rechtshilfewege förmlich zugestellt. Nach Ablauf der Frist zur Verteidigungsanzeige und Übertragung des Rechtsstreits auf die Berichterstatterin durch Kammerbeschluss gem. § 348a ZPO vom 16.11.2009 erließ die damals noch in ihrem ersten Dienstjahr tätige Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn am 16.11.2009 antragsgemäß ein Versäumnisurteil, durch das der Klage stattgegeben wurde. Das Versäumnisurteil wurde am 21.01.2010 unter der Anschrift der Beklagten zur Post gegeben (Bl. 52 d.A.). Am 10.02.2011 erfolgte eine erneute Zustellung an die Beklagte im förmlichen Rechtshilfeweg (Bl. 74/1 d.A.). Mit am 18.02.2011 eingegangenem SchriftSatz 1egte die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten Einspruch ein (Bl. 61 d.A.). Hinsichtlich der Einwendungen der Beklagten gegen die Klageforderung wird auf die Einspruchsbegründung vom 24.02.2011 (Bl. 62 ff. d.A.) verwiesen. Nach entsprechendem Hinweis mit Verfügung vom 25.02.2011 durch den nach Richterwechsel nunmehr mit der Sache befassten Einzelrichter verwarf das Landgericht in dem angegriffenen Urteil vom 21.03.2011 den Einspruch als unzulässig. Der Einspruch sei verspätet. Nach ordnungsgemäßer Zustellung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke im Rechtshilfeweg und erfolgloser Aufforderung, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, sei das Versäumnisurteil gem. § 184 ZPO wirksam durch Aufgabe zur Post zugestellt worden. Durch den am 18.02.2011 eingegangenen Einspruch sei die gesetzliche Einspruchsfrist gem. § 339 Abs. 1 ZPO von zwei Wochen nicht gewahrt. Da es sich bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post um eine Inlandszustellung handele, habe es der Festsetzung einer Einspruchsfrist gem. § 339 Abs. 2 ZPO nicht bedurft. Die erneute Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfewege sei auf ausdrücklichen Antrag des Klägers als Grundlage und Voraussetzung der Anerkennung und Vollstreckung des Urteils in der Türkei erfolgt.
Das Urteil des Landgerichts vom 21.03.2011 wurde dem Beklagtenvertreter am 29.03.2011 zugestellt (Bl. 86 d.A.). Durch Schriftsatz vom 21.04.2011, der am gleichen Tag vorab per Telefax beim Oberlandesgericht einging, legte die Beklagte Berufung ein, die mit Schriftsatz vom 30.05.2011 begründet wurde.
Die Beklagte erstrebt die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 21.03.2011 und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz. Unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag rügt sie die Zuständigkeit des Landgerichts Heilbronn. Der Einspruch der Beklagten sei nicht verfristet gewesen und zu Unrecht als unzulässig verworfen worden. Die Postzustellung nach § 184 ZPO sei vorliegend formfehlerhaft (Bl. 96 d.A.). Die Zustellung des Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post verstoße gegen Art. 10 des Haager Zivilprozessabkommens sowie gegen Art 9 ff. des deutsch-türkischen Abkommens über die Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen. Diese Vorschriften gingen den Bestimmungen der ZPO, mithin auch § 184 ZPO, vor. Nach dem Haager Übereinkommen sei die Zustellung des Versäumnisurteils als Auslandszustellung anzusehen. Durch die Behandlung der Zustellung als Inlandszustellung werde die völkerrechtliche Vereinbarung untergraben (Bl. 94 d.A.). Auch zeige die neuerliche Zustellung des Versäumnisurteils im Wege der Rechtshilfe, dass die Zustellung per einfacher Post rechtswidrig gewesen sei, da das Landgericht sonst die kostspielige Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht vorgenommen hätte. § 184 ZPO bleibe a...