Leitsatz (amtlich)
1. Die Zustellung eines Versäumnisurteils gegen eine Beklagte mit Sitz in der Türkei im Wege der Aufgabe zur Post nach § 184 ZPO ist wirksam, wenn die Voraussetzungen der Norm vorliegen, und geeignet, die Einspruchsfrist in Lauf zu setzen. In der Zustellung nach § 184 ZPO liegt insbesondere kein Verstoß gegen das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 oder gegen das deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28.5.1929.
2. Wird das Versäumnisurteil später nochmals förmlich nach § 183 ZPO zugestellt, wird dadurch die bereits verstrichene Einspruchsfrist nicht erneut in Lauf gesetzt.
Normenkette
ZPO §§ 183-184; HZÜ Art. 10; deutsch-türkisches Übereinkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 9 ff.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 13.12.2010; Aktenzeichen 7 O 560/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Dortmund vom 13.12.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert für die Berufung: 113.200,02 EUR
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, eine in der Türkei ansässige Gesellschaft, auf deliktischer Grundlage auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines Kapitalanlagegeschäfts in Höhe des Anlagebetrages von 113.200,02 EUR (= 221.400 DM) nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Anspruch.
Mit Verfügung vom 24.1.2005 hat der Einzelrichter der 7. Zivilkammer des LG die Auslandszustellung einer einfachen Abschrift der Klage nebst PKH-Antrag angeordnet und der Beklagten eine Frist zur Stellungnahme von vier Wochen zu dem Gesuch gesetzt. Gleichzeitig hat er mit Beschluss vom selben Tag angeordnet, dass die Beklagte binnen einer Frist von zwei Wochen einen Zustellungsbevollmächtigten mit Sitz in Deutschland zu benennen habe, und darauf hingewiesen, dass anderenfalls spätere Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung durch Aufgabe zur Post bewirkt werden könnten, wobei das Schriftstück zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt gelte.
Die in die türkische Sprache übersetzte Klageschrift ist der Beklagten in beglaubigter Form nebst richterlicher Verfügung vom 24.1.2005 sowie beglaubigter Abschrift des Beschlusses vom selben Tag am 26.4.2005 förmlich in der Türkei zugestellt worden.
Nach anschließend bis auf die Zurückweisung einer Zinsmehrforderung antragsgemäß erfolgter Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 20.6.2005 hat der Einzelrichter der Kammer mit Verfügung vom 28.7.2005 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Beklagte aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Klage ihre Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen, und ihr zur schriftlichen Klageerwiderung eine Frist von weiteren vier Wochen gesetzt. Gleichzeitig hat der Einzelrichter die Zustellung (im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe) durch Aufgabe zur Post verfügt, die nach der bei der Akte befindlichen Urkunde am 17.8.2005 erfolgt ist.
Am 30.9.2005 hat der Einzelrichter ein Versäumnisurteil erlassen, durch das die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 113.200,02 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.1999 zu zahlen. Das LG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB angenommen und der Beklagten das Verhalten eines Mitarbeiters zugerechnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 27 ff. GA).
Die Zustellung einer Ausfertigung des (Versäumnis-)Urteils ist ebenfalls im Wege der Zustellung durch Aufgabe der Post gem. § 184 ZPO veranlasst worden, die am 12.10.2005 erfolgte.
Unter dem 15.7.2010 hat der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil in der Türkei förmlich zuzustellen, da dies zum Zwecke der anschließenden Anerkennung zwingend erforderlich sei. Eine entsprechende Zustellung des Versäumnisurteils ist mit Beschluss des Einzelrichters am 28.7.2010 angeordnet worden und am 13.10.2010 erfolgt.
Gegen das Versäumnisurteil hat die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte mit am 28.10.2010 beim LG eingegangenem Telefax Einspruch eingelegt. Nach Begründung des Einspruchs mit Schriftsatz vom 9.11.2010 hat das LG den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 30.9.2005 als unzulässig verworfen, da er nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Der Lauf der Einspruchsfrist beginne mit Zustellung des Urteils, die vorliegend durch Aufgabe zur Post gem. § 184 ZPO erfolgt sei, so dass nach § 184 Abs. 2 S. 1 ZPO das Schriftstück zwei Wochen nach Aufgabe zur Post, die hier am 12.10.2005 erfolgt sei, als zugestellt gelte. Da die Einspruchsfrist gem. § 339 Abs....