Leitsatz (amtlich)

In Abstammungssachen können einem minderjährigen Kind gem. § 81 Abs. 3 FamFG keine Kosten auferlegt werden. Die übereinstimmende Formulierung "Verfahren, die die Person betreffen" in §§ 9 Abs. 1 Nr. 3 und 81 Abs. 3 FamFG hat wegen des unterschiedlichen Gesetzeszweckes nicht zwingend zur gleichen Auslegung dieses Begriffes zu führen.

 

Normenkette

FamFG § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 81 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 27.01.2011; Aktenzeichen 24 F 2208/09)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 wird der Beschluss des AG Stuttgart vom 27.1.2011 (24 F 2208/09) in Ziff. 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beteiligte Ziff. 3.

Im Übrigen berührt das Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung nicht.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 699,10 EUR

 

Gründe

I. In dem beim Familiengericht auf Antrag des beschwerdeführenden Kindes geführten Verfahren wegen Feststellung der Vaterschaft ergab das eingeholte Abstammungsgutachten, dass der Antragsgegner nicht Vater des Kindes ist. Der Antrag wurde daraufhin zurückgenommen. Gemäß Beschluss des Familiengerichtes vom 27.1.2011 haben die Beteiligten Ziff. 1 und 2 die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Gegen die Auferlegung der Kosten zur Hälfte wendet sich das durch das Jugendamt vertretene Kind mit der Beschwerde.

II. Die gem. §§ 58, 59, 61 und 63 FamFG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert des § 61 FamFG wird erreicht, da das minderjährige Kind bei Kostenauferlegung auch die Kosten des Sachverständigengutachtens von 979,48 EUR hälftig zu tragen hat.

Sie führt auch in der Sache zum Erfolg, weil das Familiengericht dem beschwerdeführenden Kind entgegen § 81 Abs. 3 FamFG die Kosten des Verfahrens teilweise auferlegt hat.

Ob sich § 81 Abs. 3 FamFG auch auf Abstammungsverfahren bezieht, ist streitig.

Teilweise wird unter Verweis auf die Gesetzesbegründung des hinsichtlich des Begriffes "Verfahren, die seine Person betreffen" gleichlautenden § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die Auffassung vertreten, § 81 Abs. 3 FamFG gelte nicht für Abstammungssachen (Rüntz/Viefhues, FamRZ 2010, 1285 [1293]; Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 81 Rz. 66). Zudem entspreche § 81 Abs. 3 FamFG dem früheren § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO, der Minderjährige in Abstammungssachen nicht von der Zahlungspflicht ausnahm (Keidel/Zimmermann, a.a.O.; ebenso Keidel/Engelhardt, § 183 Rz. 1).

Die Gegenansicht wendet § 81 Abs. 3 FamFG auch auf Abstammungsverfahren an (OLG Celle, Beschl. v. 26.4.2010 - 15 UF 40/10, zitiert in Juris; Stößer, FamRZ 2009, 923 [930]; Knittel, JAmt 2010, 498, 498; MünchKomm/ZPO/Coester-Waltjen/Hilbig, 3. Aufl. 2010, § 183 FamFG, Rz. 3; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 81 FamFG, Rz. 16; Kieninger in Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis 2010, Rz. 275). Bei Abstammungssachen handele es sich um Verfahren, die die Person betreffen (Hüsstege in Thomas/Putzo, a.a.O., Rz. 16). Die Abstammungsverfahren seien als einseitige, nicht streitige Antragsverfahren kostenrechtlich eher den Kindschaftssachen vergleichbar (OLG Celle, a.a.O., Rz. 10). Hätte der Gesetzgeber nur in Kindschaftssachen die minderjährigen Beteiligten von der Kostenpflicht ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich so zu formulieren (Knittel in JAmt 2010, 497, 499).

Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht zuletzt wegen eindeutigen Wortlautes des § 81 Nr. 3 FamFG an.

Die übereinstimmende Formulierung in §§ 9 und 81 FamFG hat nach Auffassung des Senates nicht zwingend auch zur gleichen Auslegung zur führen. § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG enthält, auch in der Gesetzesbegründung, keine eine Deutungshoheit begründende Definition des Begriffes der "Verfahren, die die Person betreffen."

Die Gesetzesbegründung zu § 9 FamFG (BT-Drucks. 16/9733, 288) lautet: "Die neu eingefügte Nr. 3 erweitert die Verfahrensfähigkeit des Kindes, das das 14. Lebensjahr vollendet hat. Die Vorschrift erlaubt ihm die eigenständige Geltendmachung materieller Rechte im kindschaftsrechtlichen Verfahren, das seine Person betrifft, ohne Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter. Damit wird ein verfahrensrechtliches Korrelat zu den verschiedentlich eingeräumten Widerspruchs- und Mitwirkungsrechten des über 14-jährigen Kindes (z.B. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) geschaffen und die notwendige Akzessorietät zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht hergestellt."

Dieser Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass ein Gleichklang zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht erzielt werden sollte. Weil aber materiell-rechtlich das beschränkt geschäftsfähige Kind das Recht auf Anfechtung nur durch seinen gesetzlichen Vertreter ausüben kann, kann dieser Gleichklang von materiellem und Verfahrensrecht in Abstammungssachen nicht erzielt werden (Kieninger in Helms/Kieninger/Rittner, Ab...

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