Leitsatz (amtlich)
Für den Börsenwert als Untergrenze einer Abfindung, die Aktionären für ihr Ausscheiden anlässlich einer aktien- oder umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahme zu zahlen ist, ist auf den nach Umsätzen gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs in einem Referenzzeitraum von drei Monaten vor Bekanntgabe der Maßnahme und nicht auf den Durschnittskurs in den letzten drei Monate vor dem Hauptversammlungsbeschluss abzustellen. Wegen dieser Abweichung von der Rechtsprechung des BGH und anderer OLG werden die sofortigen Beschwerden dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 20.02.2006; Aktenzeichen 34 AktE 10/03 KfH) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragstellerinnen Ziff. 5, Ziff. 7 und Ziff. 13 gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 20.2.2006 (34 AktE 10/03 KfH) werden dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Spruchverfahren um die Angemessenheit der Barabfindung der gem. §§ 327a ff. AktG durch Hauptversammlungsbeschluss vom 18.12.2002 aus der M. AG ausgeschlossenen und mit einem Betrag von 415 EUR je Aktie abgefundenen Minderheitsaktionäre.
1. Die 1846 gegründete M. hatte 1965 ihre eigene Produktion vollständig eingestellt, die letzten Arbeitnehmer wurden von der heutigen D. AG, der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin, übernommen. Geschäftsgegenstand ist seit 1968 ausschließlich der Erwerb, die Veräußerung und die Vermietung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Der Grundstücksbestand wurde 1983 durch Verschmelzung mit weiteren mit der Grundstücksverwaltung befassten Gesellschaften vergrößert. Seit dieser Zeit vermietet die M. aufgrund eines Mietvertrags vom 23.12.1988/12.12.1989 ihren Immobilienbestand mit Ausnahme geringer Wohnungsbestände ausschließlich an den heutigen D. Dieser Mietvertrag sieht Kapitalmieten, Nutzflächenmieten und Vorratsgeländemieten vor. Die Kapitalmieten betragen jährlich 10 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die von der M. getätigten Investitionen in Gebäude und Infrastrukturmaßnahmen für einen Zeitraum von 25 Jahren. Für alle Gebäude, die nicht oder nicht mehr der Kapitalmiete unterliegen, werden Nutzflächenmieten verlangt. Für unbebaute Grundstücke oder für Grundstücke, für die noch eine Kapitalmiete erhoben wird, wird zusätzlich eine Vorratsgeländemiete erhoben. Die Immobilieninvestitionen werden über ein konzerninternes Verrechnungskonto bei der D finanziert, die M. erhält die hieraus resultierenden Zinsaufwendungen von der D. AG in Form von Bauzeitzinsen erstattet. Nach Fertigstellung erfolgt die Finanzierung über einen Investitionskredit mit einem Kreditrahmen von 80 Mio. EUR; der Darlehensvertrag vom 19.1.2001 sah für eine Laufzeit bis 31.12.2002 einen festen Zinssatz von 7 % p.a. vor.
Von den insgesamt 850.300 auf den Inhaber lautenden Stückaktien, die im amtlichen Handel an der Börse Stuttgart notiert waren, hielt die Antragsgegnerin im Jahr 2002 844.082 Stück (99,27 %), die restlichen 6.218 Stück befanden sich im Streubesitz von Minderheitsaktionären. Der geplante Ausschluss von Minderheitsaktionären wurde mit Pressemitteilung vom 12.9.2002 (Anlage AG 5) bekannt gemacht. In der weiteren Pressemitteilung vom 28.10.2002 (Anlage AG 9) ist ausgeführt, dass die Minderheitsaktionäre einen Barabfindungsbetrag von 415 EUR je Aktie erhalten sollten. Auf der Hauptversammlung am 18.12.2002 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 415 EUR je Aktie beschlossen. Der Übertragungsbeschluss wurde am 28.1.2003 im Handelsregister eingetragen.
Die von der A. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Stichtag der Hauptversammlung durchgeführte Unternehmensbewertung ergab einen Unternehmenswert von 339,9 Millionen EUR, dies entspricht dem Wert einer Stückaktie von 399,78 EUR. Der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ermittelte durchschnittliche gewichtete inländische Börsenkurs lag im Zeitraum von 12.06. bis 11.9.2002 (3 Monate vor der ersten Pressemitteilung vom 12.9.2002) bei 412,82 EUR. Für den Zeitraum von 3 Monaten vor dem Beschluss der Hauptversammlung vom 18.12.2002 teilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Schreiben vom 20.2.2006 (Anlage AG 9) einen gewichteten Durchschnittskurs von 462,56 EUR mit. Der Kurs der Aktien der M. AG bewegte sich von Anfang 2000 bis Mitte 2002 stets unterhalb von 400 EUR (Anlage AG 11) und im Zeitraum von Anfang September bis 12.9.2002 zwischen 420 EUR und 454 EUR (Anlagen AG 8 und AG 10). Nach der Pressemitteilung vom 12.9.2002 stieg der Aktienkurs bei einem zunehmenden Handelsvolumen bis auf einen Spitzenwert von 580 EUR an (Anlage AG 10). Nach der zweiten Pressemitteilung vom 28.10.2002 pendelte er sich auf Werte zwischen 474,50 EUR und 430 EUR mit abnehmender Tendenz zur Hauptversammlung am 18.12.2002 ein (Anlage AG 10).
Die gem. § 327 Abs. 2 AktG zur Prüferin bestellte Wirtschaftsprüfergesellschaft Dr. E. & Partner hat in ihrem Prüfbericht vom 30.10.2002 die vorgesc...