Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Urlaubsverteter gem. § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ist Vertreter der Partei i. S. § 85 Abs. 2 ZPO.

2. Auch der Urlaubsvertreter ist verpflichet, das Büropersonal zu überwachen und dessen Fehler durch rechtzeitiges Eingreifen zu korrigieren.

 

Beteiligte

Ulrike Z.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Aktenzeichen 2 O 2/00)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 31.3.2000 wird als unzulässig

verworfen.

2. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Berufungsfrist wird

zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Wert des Berufungsverfahrens:

250.000,00 DM

 

Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 7.4.2000 zugestellte Urteil durch einen am 5.5.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt. Der Schriftsatz war von der beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassenen Rechtsanwältin K. unterschrieben. Mit Schriftsatz vom 17.8.2000 – eingegangen beim Oberlandesgericht am 18.8.2000 – beantragte sie wegen der versäumten Berufungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieser Schriftsatz wurde vom beim Oberlandesgericht Stuttgart zugelassenen Rechtsanwalt S. unterzeichnet.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages nach § 233 ZPO trägt die Klägerin vor, ihr Prozeßbevollmächtigter Rechtsanwalt S. habe vor einem vom 21.4. bis 6.5.2000 dauernden Auslandsaufenthalt die Berufungsschrift diktiert und bereits unterschrieben gehabt, seine Sekretärin, Frau D., jedoch angewiesen, zur Ausschöpfung der Berufungsfrist den Schriftsatz erst am 4.5.2000 abzusenden.

Da zum 4.5.2000 wegen Eintritts von Rechtsanwältin K. in die Anwaltskanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten ein veränderter Briefkopf eingeführt worden sei, habe sich die Mitarbeiterin D. veranlaßt gesehen, den im Computer gespeicherten Text der Berufungsschrift auf neuem Papier mit neuem Briefkopf zu drucken und im gleichen Zuge den von Rechtsanwalt S. bereits unterschriebenen Schriftsatz zu vernichten. Den neu ausgedruckten Schriftsatz habe sie Rechtsanwältin K. vorgelegt, die ihn, ohne ihn zu lesen, unterschrieben habe. Rechtsanwältin K. habe zu diesem Zeitpunkt in Vertretung ihres Prozeßbevollmächtigten allein die Kanzleigeschäfte versehen.

II.

Die Berufung der Klägerin war gemäß § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen. Der innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Berufungsschriftsatz war nicht formgerecht/weil er von der beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassenen Rechtsanwältin K. unterzeichnet war. Die Berufungsschrift muß jedoch von einem postulationsfähigen Anwalt eigenhändig unterschrieben sein (Zöller, Zivilprozeßordnung, § 518 Rn. 22 m.w.N.). Die nach Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingereichte Berufungsschrift vom 17.8.2000, welche von dem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unterschrieben ist, kann eine zulässige Berufung nicht begründen, weil die einmonatige Berufungsfrist versäumt war.

Die von der Klägerin beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zu versagen, da die Säumnis der Klägerin nicht unverschuldet im Sinne des § 233 ZPO war.

Rechtsanwältin K. hätte den Berufungsschriftsatz nicht unterschreiben dürfen, sondern statt dessen die Mitarbeiterin D. auf ihre fehlende Zulassung beim Oberlandesgericht aufmerksam machen müssen, wodurch sich deren Fehler, der in der Vernichtung des von Rechtsanwalt S. unterschriebenen Berufungsschriftsatzes gelegen hatte, offenbar geworden wäre, so daß er noch innerhalb der Berufungsfrist, die am 8.5.2000 ablief, hätte bereinigt werden können, und zwar entweder in der Weise, daß Rechtsanwältin K. einen postulationsfähigen Kollegen mit der Einlegung der Berufung betraute oder aber, was hier nähergelegen hätte, die Rückkehr von Rechtsanwalt S. abwartete, um am 8.5.2000 per Telefax noch rechtzeitig die Berufung einzulegen.

Das Verschulden von Rechtsanwältin K. hat sich die Klägerin zurechnen zu lassen, selbst wenn sie Rechtsanwältin K. selbst weder bevollmächtigt noch in anderer Weise mit der Sache betraut hatte. Rechtsanwältin K. war von Rechtsanwalt S. als seine allgemeine Vertreterin im Sinne des § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO bestellt worden. Urlaubsvertreter bzw. Abwesenheitsvertreter nach § 53 BRAO sind aber Vertreter der Partei im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO (BGH VersR 1975, 1150; BVerwG NJW 1995, 1443; OVG Hamburg NJW 1993, 747 f m.w.N.). Mit der Beauftragung eines Abwesenheitsvertreters hält sich der Rechtsanwalt und Prozeßbevollmächtigte auch im Rahmen seiner ihm vom Mandanten eingeräumten Befugnisse, denn bei Erteilung eines Auftrags wird der Mandant selbst es als erforderlich ansehen, zumindest es stillschweigend billigen, daß während der Abwesenheit seines Prozeßbevollmächtigten für eine Vertretung zur Erledigung der auch in seiner Sache etwa erforderlich werdenden Arbeiten gesorgt wird.

Rechtsanwältin K. hatte zwar nicht den Auftrag, die Berufu...

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