Leitsatz (amtlich)

Zu der Fußnote, die Frist betrage einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst "nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann".

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 30.07.2015)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Stuttgart vom 30.07.2015 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien zu den Darlehensnummern ... 229,... 237 und ... 245 durch den mit Schreiben vom 30.04.2015 erfolgten Widerruf jeweils ex nunc in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt worden sind.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

Der Kläger verlangt nach Widerruf dreier zeitgleich am 29.7.2009 in einer Filiale der Beklagten geschlossener Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge über insgesamt 1.200.000 Euro die Feststellung, dass sich die Verträge durch Widerruf vom 30.4.2015 in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt hätten.

I.1. Zu allen drei Verträgen erteilte die Beklagte identische Widerrufsbelehrungen wie folgt:

Der Kläger ist der Auffassung, mit den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen sei die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. nicht in Gang gesetzt worden, da sie den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. Der Kläger hat daher die Feststellung begehrt, durch seinen Widerruf seien die Darlehensverträge beendet. Demgegenüber meint die Beklagte, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig, außerdem genügten die Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen. Sehe man das anders, sei die Rechtsausübung durch den Kläger jedenfalls rechtsmissbräuchlich oder verwirkt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Bezug genommen.

2. Das LG hat die Klage abgewiesen. Sie sei zwar zulässig, aber unbegründet:

Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung weise keine Mängel auf, sie sei insbesondere i.S.d. § 355 Abs. 2 BGB a.F. deutlich. Soweit die Belehrung zwei verschiedene Fristen enthalte und diese Fristen über eine Fußnote erläutert würden, sei auch das unschädlich, weil es auf die konkrete Vertragsabschlusssituation ankomme und daher für den Kläger klar gewesen sei, dass für ihn die 2-Wochen-Frist gelte. Dem Kläger sei auch klar gewesen, auf welche Willenserklärungen sich die Belehrungen bezogen hätten, da er bei Vertragsunterzeichnung in der Filiale der Beklagten in Freiburg eine Abschrift der Vertragsurkunde ausgehändigt erhalten habe.

3. Mit seiner Berufung begehrt der Kläger nach entsprechender Umstellung seines Antrags im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.2.2016 nunmehr die Feststellung, dass sein Widerruf die Verträge in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt habe. Er meint, das LG unterstelle unrichtig, dass dem Kläger nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages mit der Widerrufsbelehrung die für seine Unterlagen bestimmten Ausfertigungen der Darlehensvertragsurkunden übergeben worden seien. Das sei tatsächlich nicht der Fall gewesen, er, der Kläger, sei demnach bis heute nicht im Besitz von seine Vertragserklärungen enthaltenden Urkunden. Im Übrigen wiederholt und erweitert der Kläger seine erstinstanzliche Kritik an der Widerrufsbelehrung.

Der Kläger beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des LG Stuttgart, vom 30.07.2015 AZ 25 O 94/15 wird festgestellt, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien zu den Darlehens-Nrn. ...229,...237 und...245 durch den mit Schreiben vom 30.04.2015 erklärten wirksamen Widerruf ex nunc jeweils in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie rügt den Vortrag des Klägers zur Frage des Erhalts von Ausfertigungen der Verträge als neu und verspätet, außerdem als infolge der gegenteiligen Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils für das Berufungsgericht bindend festgestellt. Auch der weitere Vortrag zu Fehlern der Widerrufsbelehrung sei neu und nicht zuzulassen. Im Übrigen verteidigt sie das landgerichtliche Urteil gegen die Angriffe der Berufung.

Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

Maßgeblich sind die bei Abschluss des Vertrages geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. 1 S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art 229 § 9 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).

1. Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken (§ 256 Z...

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