Leitsatz (amtlich)
1. Beim Kauf eines Pkw vom Händler kann nur aufgrund besonderer Umstände angenommen werden, dass Angaben des Herstellers als am Kaufvertrag nicht beteiligtem Dritten über Eigenschaften des Fahrzeugs zu einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung führen.
2. Kannte der Käufer zum Zeitpunkt des Kaufs eine öffentliche Äußerung i. S. v. § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht, ist der Ausnahmefall des § 434 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 Alt. 3 BGB erfüllt.
3. Auch beim Gebrauchtwagenkauf weist das gekaufte Fahrzeug die übliche Beschaffenheit nicht auf, wenn es hinter dem Stand der Technik vergleichbarer Fahrzeuge anderer Hersteller zurückbleibt.
4. Bei dem danach auch beim Gebrauchtwagenkauf vorzunehmenden fabrikats- bzw. herstellerübergreifenden Vergleich haben nach dessen Zweck bei der Beantwortung der Frage, ob die Beschaffenheit des Fahr-zeugs nicht unüblich ist, die Fahrzeuge des in Rede stehenden Herstellers außer Betracht zu bleiben.
5. In den herstellerübergeifenden Vergleich sind nur Fahrzeuge einzubeziehen, die ebenfalls über das man-gelverursachende Bauteil verfügen; der Vergleich ist jedoch nicht auf Fahrzeuge zu beschränken, bei de-nen dieses Bauteil gleich konstruiert ist.
Normenkette
BGB § 434
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 28.04.2017; Aktenzeichen 24 O 32/17) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.04.2017, Az. 24 O 32/17, abgeändert:
(1) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.518,68 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.01.2017 zu bezahlen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs A. ... Coupé 2,0, FIN: WAU...
(2) Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs A. ... Coupé 2,0, FIN: WAU... in Annahmeverzug befindet.
(3) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2017 zu bezahlen.
(4) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 477,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.06.2017 zu bezahlen.
(5) Es wird festgestellt, dass im Übrigen der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 22.177,85 EUR
Gründe
A. Der Kläger verlangt vom gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelnden Beklagten die Rückabwicklung eines von ihm als Verbraucher geschlossenen Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw.
1. Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 18.04.2016 (Anl. K 1) vom Beklagten einen am 03.11.2009 erstmals zugelassenen A. ... (2,0 l Benzinmotor mit Turboaufladung) mit einer Laufleistung von 53.300 km und einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 300.000 km für 21.700 EUR; Zahlung des Kaufpreises und Übergabe des Fahrzeugs erfolgten am 23.04.2016. In der Betriebsanleitung (Anl. K 2) heißt es u. a.: "Abhängig von der Fahrweise und den Einsatzbedingungen kann der Ölverbrauch bis zu 0,5 Liter / 1000 km betragen. In den ersten 5.000 km kann der Verbrauch darüber liegen."
Mit Anwaltsschreiben vom 02.12.2016 behauptete der Kläger, der Ölverbrauch betrage 1 l auf 1.000 km und forderte den Beklagten zur Mangelbeseitigung bis 16.12.2016 auf. Der Beklagte kam dem nicht nach, worauf der Kläger am 19.12.2016 vom Vertrag zurücktrat.
Das Fahrzeug weist nunmehr eine Gesamtfahrleistung von 66.730 km auf.
Der Kläger hat geltend gemacht, das Fahrzeug sei infolge zu hohen Ölverbrauchs mangelhaft. Es verbrauche sowohl verglichen mit vergleichbaren Fahrzeugen desselben Fahrzeugherstellers als auch anderer Fahrzeughersteller mit mehr als 1 l / 1.000 km zumindest doppelt so viel Öl.
Der Beklagte hat u. a. vorgetragen, sollte das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mehr als 0,5 l pro 1000 km verbraucht haben, sei dies bei diesem Fahrzeug Stand der Technik. Nahezu alle Motoren des Herstellers V./A. vom Typ 2.0 TSFI wiesen das hier streitgegenständliche Problem auf.
Für die Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
2. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Sämtliche für einen Erfolg des Klagantrags Ziff. 1 denkbaren Ansprüche auf Rückabwicklung erforderten als zentrales Tatbestandsmerkmal einen Mangel des verkauften Fahrzeugs, der aber nicht vorliege, weshalb der Beklagte auch mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug geraten sein könne (Klagantrag Ziff. 2) ...