Leitsatz (amtlich)
1. Von einem Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit im Wege ergänzender Vertragsauslegung im Rahmen eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses bzw. eines von einer Gefahrengemeinschaft getragenen Auftragsverhältnisses ist auszugehen, wenn zwei deutsche Berufskollegen für 3 Monate gemeinsam eine Fortbildung im Ausland (Südafrika) absolvieren, dort gemeinsam ein Kraftfahrzeug anmieten, dessen Kosten sie sich teilen, und es zu einem von einem der beiden verschuldeten Unfall kommt, bei dem der andere als Beifahrer verletzt wird.
Dies gilt auch dann, wenn im Ausland kein ausreichender Versicherungsschutz besteht.
2. Beruht der Unfall darauf, dass der Fahrer bei einer der ersten Fahrten gegen das im Ausland bestehende, ihm ungewohnte Linksfahrverfbot verstößt, so liegt im Verhältnis zum Beifahrer, dem diese Umstände bekannt sind, keine grobe Fahrlässigkeit vor. Die Revision wurde zugelassen und auch eingelegt.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 05.06.2007; Aktenzeichen 4 O 397/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Tübingen vom 5.6.2007 - 4 O 397/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung O i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit O i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert beider Rechtszüge:
Antrag Ziff. 1: 19.052,97 EUR
Antrag Ziff. 2: 20.000 EUR
Antrag Ziff. 3: 10.000 EUR
Summe: 49.052,97 EUR.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 11.1.2004 in Südafrika ereignet hat und bei dem die Klägerin als Beifahrerin erheblich verletzt worden ist.
Die Parteien, die sich 1999 beim Medizinstudium kennengelernt haben, fassten 2003 gemeinsam den Entschluss, 3 Monate des damals für die Ausbildung als Arzt erforderlichen praktischen Jahres am ... -Hospital der Universität von S. in Südafrika zu verbringen. Nach der gemeinsamen Ankunft in Kapstadt mieteten die Parteien auf den Namen der Beklagten bei der Mietwagenfirma ... am 2.1.2004 einen Pkw mit Schaltgetriebe (VW Polo) unter Verwendung der Lufthansa-Kreditkarte der Beklagten an (Anl. K 20, Bl. 158/161 d.A.). Beide hatten vereinbart, dass das Fahrzeug für die Dauer des Aufenthaltes in Südafrika ihnen gemeinsam zur Verfügung stehen sollte, dass die hieraus resultierenden Kosten gemeinsam getragen werden und dass sie sich beim Fahren abwechseln. Aus diesem Grunde wurde die Klägerin als weitere Fahrerin im Mietvertrag eingetragen. Beide Parteien waren mit den in Südafrika geltenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Verkehrsteilnehmern bei Personen- und Sachschäden nicht vertraut und gingen übereinstimmend davon aus, es bestehe bei einem Unfall im Straßenverkehr eine dem Rechtszustand in Deutschland vergleichbare Absicherung. Auf die Vereinbarung einer zusätzlich angebotenen Haftungsbeschränkung bzw. Haftungsbefreiung für Schäden am Mietwagen ("collision damage waiver") verzichteten die Parteien, weil die Beklagte angab, nach den Bedingungen ihres Kreditkartenvertrages zumindest vorübergehend über einen Vollkaskoversicherungsschutz zu verfügen. Das von der Mietwagenfirma ebenfalls unterbreitete Angebot auf Abschluss einer zusätzlichen Diebstahlsversicherung ("theft loss waiver") und einer privaten Unfallversicherung ("personal accident insurance") nahmen die Parteien - aus teilweise umstrittenen Gründen - nicht an.
Am 9.1.2004 unternahmen die Parteien einen Wochenendausflug von Kapstadt nach 7340 Citrusdal, bei dem sie zwei weitere Personen mitnahmen. Hierbei wurde der Wagen von der Beklagten gesteuert. Bei der Rückfahrt am 11.1.2004 bog die Beklagte im Bereich der Kreuzung A. von einem Feldweg auf die N 7 National Road in Richtung Kapstadt ein unter Missachtung des in Südafrika geltenden Linksfahrgebotes, indem sie den rechten Fahrstreifen befuhr. Kurze Zeit nach dem Abbiegevorgang kam es zu einer Frontalkollision mit einem ordnungsgemäß auf der linken Fahrspur fahrenden Kraftfahrzeug.
Durch den Unfall wurden beide Parteien erheblich verletzt. Die auf dem Beifahrersitz sitzende Klägerin wurde zwischen Sitz und Armaturenbrett eingeklemmt und konnte erst nach 1 Stunde von den Rettungskräften aus dem Auto befreit werden. Sie erlitt hierbei insbesondere eine längsgradig offene trans- und subracondyläre Femurtrümmerfraktur rechts, eine distale Unterarmfraktur links, eine hintere Beckenringfraktur mit transossärer Os sacrum-Fraktur links, eine vordere Beckenringfraktur rechts, ein subkapsuläres Milzhämatom, eine Platzwunde am Kopf im Bereich der linken Augenbraue über eine Länge von ca. 10 c...