Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 16.10.2019; Aktenzeichen 20 O 198/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.10.2019, Az. 20 O 198/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.200,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.
1. Die Klägerin kaufte am 05.08.2013 bei der Firma ... einen zuvor nur im Rahmen von Tageszulassungen bewegten, gebrauchten Skoda Yeti mit einem Kilometerstand von 10 km zu einem Kaufpreis von 25.200,00 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5), der vom sogenannten Abgasskandal betroffen ist, ausgestattet. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Motors, Schadensersatz. Der Kilometerstand betrug am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.03.2020 102.932 km.
Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Mit verschiedenen zwischen dem 27.01.2016 und dem 20.12.2016 erteilten Bestätigungen hat das KBA sämtliche betroffenen Fahrzeug- und Motorvarianten, darunter auch den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware installiert wird. Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
2. Das Landgericht hat die auf Schadensersatz - in Form der Zahlung von 25.200 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinnsatz seit Rechtshängigkeit und Zinsen in Höhe von 4 % jährlich seit dem 05.08.2013 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs - sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs gerichtete Klage abgewiesen.
Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus:
Der Klägerin stünden bereits dem Grunde nach keine Schadensersatzansprüche zu, so dass sowohl offenbleiben könne, in welcher Höhe die Klägerin einen ausgleichspflichtigen Schaden erlitten habe, als auch, ob Ansprüche verjährt seien. Es bestehe kein Anspruch aus betrügerischen Handlungen, weil es an einer Täuschungshandlung fehle, insbesondere liege auch keine Täuschung durch Unterlassen vor, weil es in Bezug auf die Klägerin an einer Garantenstellung der Beklagten fehle. Es bestünden auch keine Ansprüche wegen schutzgesetzwidriger Handlungen. Denn die §§ 6, 27 EG-FGV seien nicht drittschützend. Im Hinblick auf Vorschriften des UWG seien - unabhängig von der fraglichen Schutzgesetzqualität - im Hinblick auf das Vermögen der Klägerin keine unwahren Angaben ersichtlich. Schließlich sei auch der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung unter keinem Gesichtspunkt erfüllt. Die Normen, die im Typengenehmigungsverfahren verletzt worden seien, stünden in keiner Beziehung zu Vermögensinteressen der betroffenen Partei. Der Schutzzweck der Regelungen zur Übereinstimmungsbescheinigung decke nicht den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ab. Auch das Verschweigen betreffend die Software stelle keine sittenwidrige Schädigung dar, weil nicht dargetan sei, dass es sich insoweit um einen wertbildenden Faktor handele, der offenzulegen gewesen wäre.
Wegen der weiteren Ei...