Leitsatz (amtlich)
1. Eine unzulässige Klage wahrt die Anfechtungsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG. Die wegen einer bereits rechtshängigen Klage zunächst unzulässige zweite Anfechtungsklage wird mit der Rücknahme der ersten Klage zulässig.
2. Die Anfechtungsklage gegen einen Beschluss kann noch in der Berufung um die Anfechtungsklage gegen einen Bestätigungsbeschluss erweitert werden.
3. Ein Bestätigungsbeschluss ist auch möglich, wenn unklar ist, ob die Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter richtig ist und ob der Ausgangsbeschluss gefasst ist.
4. Der Anteilinhaber eines Spezial-Sondervermögens ist nach § 21 Abs. 1 WpHG meldepflichtig, wenn für den Fonds die Miteigentumslösung gewählt wurde. Der Kapitalanlagegesellschaft werden die Stimmrechte dann nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG zugerechnet.
5. Es gibt keine Vermutung, dass nahe Verwandte, die Anteile an einer Gesellschaft halten, untereinander ihr Verhalten im Sinn von § 22 Abs. 2 WpHG abstimmen.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 28.10.2003; Aktenzeichen 8 O 88/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des LG Ravensburg vom 28.10.2003 - 8 O 88/03 - wird zurückgewiesen.
2. Der Klägerin fallen die Kosten ihres Rechtsmittels zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 70.000 Euro
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung.
Die Klägerin ist Aktionärin der beklagten Aktiengesellschaft. Unmittelbar ist sie mit 9,99 % an der Beklagten beteiligt. 12,35 % hält sie über einen Spezialfonds der B. Kapitalanlagegesellschaft mbH, 9,85 % über einen Spezialfonds der S.-Kapitalanlagegesellschaft mbH und 7,40 % über einen Spezialfonds der D. Investment Management GmbH. Der Vorstand der Klägerin, Herr Dr. W., war eines von drei Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten.
Zur Hauptversammlung am 28.3.2003, auf der der Aufsichtsrat der Beklagten neu zu wählen war, schlug der bisherige Aufsichtsrat vor, Frau Dr. F., Herrn A.M. und Herrn L.M. in den Aufsichtsrat zu wählen. In einem Gegenantrag schlug die Klägerin vor, Herrn L.M., Herrn Dr. W. und Herrn P. in den Aufsichtsrat zu wählen. Auf der Hauptversammlung stellte der Versammlungsleiter, Herr L.M., zunächst den Wahlvorschlag der Klägerin zur Abstimmung. Er wurde bei einer Präsenz von 4.668.423 Stimmen bei 2.036.222 Ja-Stimmen und 63.263 Enthaltungen mit 2.568 938 Nein-Stimmen (= 55,02 %) abgelehnt. Ein Aktionärsvertreter beantragte daraufhin, den Tagesordnungspunkt "Wahlen zum Aufsichtsrat" abzusetzen. Dieser Antrag wurde bei einer Präsenz von 4.667.872 Aktien bei 2.035.392 Ja-Stimmen und 64.438 Enthaltungen mit 2.568.042 Nein-Stimmen (= 55,79 %) abgelehnt. Ein Vertreter der Klägerin beantragte, über die Besetzung des Aufsichtsrats in Einzelwahl zu entscheiden, hilfsweise eine Entscheidung der Hauptversammlung über die Einzelwahl herbeizuführen. Der Versammlungsleiter ließ nach Hinweisen, deren Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, über den Wahlvorschlag des bisherigen Aufsichtsrats abstimmen, der bei einer Präsenz von 4.666.343 Stimmen bei 2.018.407 Nein-Stimmen und 20.777 Enthaltungen mit 2.627.159 Ja-Stimmen (= 56,55 %) angenommen wurde. Der Versammlungsleiter stellte fest, dass Frau Dr. F., Herrn A.M. und er selbst zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten gewählt worden seien. Vertreter der Klägerin erklärten gegen den Beschluss über die Wahl des Aufsichtsrats Widerspruch zur Niederschrift.
Mit der Anfechtungsklage beantragte die Klägerin, die Beschlüsse, mit denen ihr Wahlvorschlag abgelehnt und die Absetzung der Aufsichtsratswahl von der Tagesordnung abgelehnt wurden, sowie den Beschluss über die Wahl des Aufsichtsrat für nichtig zu erklären, hilfsweise ihre Nichtigkeit festzustellen, und außerdem festzustellen, dass die Hauptversammlung den Wahlvorschlag der Klägerin angenommen hat.
Die Klägerin hat vorgetragen, das Abstimmungsergebnis sei fehlerhaft festgestellt worden, weil Stimmen von Mitgliedern der Familie M. oder ihren Firmen berücksichtigt worden seien. Deren Stimmen hätten nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie ihren Mitteilungspflichten nach dem WpHG nicht nachgekommen seien. Herr A.M. habe wie in anderen Fällen seine tatsächliche Beteiligung verschleiert. Er habe bei den verschiedenen Gesellschaften und ggü. seinen Familienmitgliedern das Sagen, so dass ihm alle Stimmrechte zuzurechnen seien. Die Beschlüsse seien wegen Beurkundungsfehlern nichtig. Der Notar habe die Stimmberechtigung von Mitgliedern der Familie M. nicht überprüft und habe die Stimmenauszählung nicht selbst überwacht. Die Beschlüsse zur Wahl seien auch nichtig, weil nach der Ablehnung des Wahl...