Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

Hat sich der Fahrzeugführer bereits vor dem Antritt einer 30 km langen Fahrt über den ordnungsgemäßen Zustand der Reifen vergewissert, ist er nicht verpflichtet, einen Halt nach einer relativ kurzen und unauffällig verlaufenden Fahrzeit zu einer erneuten Kontrolle zu nutzen.

 

Normenkette

BGB § 823; STVO § 23

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Aktenzeichen 3 O 152/00)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 26.05.2000 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 30.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Streitwert der Berufung und Wert der Beschwer für den Kläger:

bis DM 800.000,00.

 

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche einschließlich Schmerzensgeld für Verletzungen geltend, die er als Mitfahrer im Pkw des Beklagten Ziff. 1 bei einem Verkehrsunfall erlitten hat. Das Unfallfahrzeug ist bei der Beklagten Ziff. 2 versichert.

Am Abend des 18.10.1997 war der Beklagte Ziff. 1 mit dem Pkw Renault R 19, amtliches Kennzeichen … 360, zunächst von seiner Wohnung in Ehingen zum Bahnhof in Ehingen gefahren, um sich dort mit den Zeugen L. und B. zu treffen. Im Pkw des Beklagten Ziff. 1 befand sich auf dem Rücksitz der Kläger. Nach kurzem Aufenthalt wurde sodann der Entschluß gefaßt, mit den beiden Fahrzeugen nach Riedlingen zu fahren.

Gegen 22.55 Uhr überholte der Beklagte Ziff. 1 auf der B 311 zwischen den Abfahrten Munderkingen und Untermarchtal den Pkw des Zeugen H., kam dabei mit seinem Fahrzeug ins Schleudern, nach links von der Fahrbahn ab und die Böschung hinunter. Der nicht angeschnallte Kläger wurde hierbei aus dem Fahrzeug geschleudert. Er erlitt einen Trümmerbruch des 11. Brustwirbels mit inkompletter Querschnittslähmung der Beine sowie Lähmung der Blasen- und Mastdarmfunktion.

Auslöser für den Unfall war nach den insoweit unstreitig gebliebenen Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Essl ein Schaden am linken hinteren Reifen des Fahrzeugs. Das Überfahren eines scharfkantigen Gegenstandes hatte zu einem Einstich im Reifen geführt und dies zu einem Druckverlust. Durch die beim Ausscheren zum Überholen auf den vorgeschädigten Reifen wirkenden Querkräfte wurde dieser von der Felge gedrückt und das Fahrzeug dadurch instabil, so daß es vom Beklagten Ziff. 1 nicht mehr beherrscht werden konnte.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte Ziff. 1 habe diesen Unfall dadurch verschuldet, daß er nicht beim Antritt der Fahrt, jedenfalls aber nicht bei der Fahrtunterbrechung am Bahnhof den Luftdruck seiner Reifen überprüft habe. Denn der linke hintere Reifen habe, wie durch Zeugenaussagen belegt sei, bereits bei dieser Fahrtunterbrechung deutlich sichtbar zuwenig Luft gehabt und müsse wegen der Kürze der bis dahin zurückgelegten Fahrtstrecke diesen Zustand bereits beim Fahrtantritt von der Wohnung aus aufgewiesen haben. Wäre der Beklagte Ziff. 1 seiner Überprüfungspflicht nachgekommen, hätte er dies bemerken und Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels ergreifen müssen, jedenfalls aber die Fahrt nicht mit einem derart auffälligen Reifen antreten bzw. fortsetzen dürfen.

Hinzu komme, daß der Beklagte Ziff. 1 den Überholvorgang mit einer deutlich höheren als der an der Unfallstelle erlaubten Geschwindigkeit von 100 km/h eingeleitet habe. Diese überhöhte Geschwindigkeit habe den Schadenseintritt am Reifen gefördert und zusätzlich auch dazu geführt, daß das Fahrzeug nicht mehr beherrschbar gewesen sei. Außerdem sei das Überholen des mit 100 km/h vorausfahrenden Fahrzeugs nur durch diese überhöhte Geschwindigkeit möglich gewesen. Ohne den Überholvorgang hätte für die Beherrschung des Fahrzeugs aber mehr Platz auf der Straße zur Verfügung gestanden.

Als Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschaden seien ihm bis März 2000 DM 87.275,11 entstanden, ferner müsse mit Umbaukosten für eine behindertengerechte Wohnung in Höhe von DM 310.880,00 gerechnet werden. Hinzu komme ein Schmerzensgeld in angemessener Höhe, das mit mindestens DM 250.000,00 zu beziffern sei. Es bestehe auch ein Feststellungsinteresse für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden.

Der Umstand, daß der Kläger nicht angeschnallt gewesen sei, führe hier nicht zu einem anrechenbaren Mitverschulden. Denn nur dieser Tatsache verdanke er sein Überleben.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 87.275,11 nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu bezahlen.
  2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 310.880,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
  3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu bezahle...

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