Leitsatz (amtlich)

1. Eine im Zuge der Beitrittserklärung zu einer Genossenschaft getroffene Stundungs-/Ratenzahlungsvereinbarung betreffend Einzahlungen auf weitere (freiwillige) Geschäftsanteile ist wegen Verstoßes gegen § 15b Abs. 2 GenG nach § 134 BGB nichtig.

2. Die Nichtigkeit dieser Stundungs-/Ratenzahlungsvereinbarung führt über § 139 BGB zwar grundsätzlich zur Gesamtnichtigkeit des Beitritts des betreffenden Mitglieds, hat jedoch regelmäßig die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Genossenschaft zur Folge, wenn der Beitritt durch seine Zulassung vollzogen ist.

3. Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Genossenschaft sind die Einzahlungen auf die weiteren Geschäftsanteile mit Vollzug des fehlerhaften Beitritts in voller Höhe fällig geworden.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 139; GenG § 15b Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 07.04.2022; Aktenzeichen Aß 2 O 190/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 07.04.2022 (Aß 2 O 190/21) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil wie auch das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 19.257,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Wohnbaugenossenschaft eG, welcher die Beklagte gem. Beitrittserklärung vom 25.04.2015 (Anlage K 2) als Genossin beigetreten war. In ihrer Beitrittserklärung hatte die Beklagte einen Pflichtanteil von 100,00 EUR und weitere 199 Geschäftsanteile zu je 100,00 EUR an der späteren Insolvenzschuldnerin gezeichnet, d.h. insgesamt 200 Geschäftsanteile zu je 100,00 EUR. Unter Ziff. 3 der ebenfalls am 25.04.2015 von ihr unterzeichneten "Tariferklärung" (Anlage K 3) war ursprünglich ein "Stundungsbetrag" i.H. von 18.657,00 EUR vorgesehen, welcher in 75 monatlichen Raten zu je 250,00 EUR beglichen werden sollte. Der monatliche Ratenbetrag ist handschriftlich in 100,00 EUR abgeändert. Als Ratenzahlungsbeginn ist in Ziff. 5 der "Tariferklärung" der 01.08.2015 vorgesehen. Die Beklagte leistete auf ihren Beitritt hin an die Insolvenzschuldnerin einen Betrag i.H. von insgesamt 4.400,00 EUR, von welchem seitens der Insolvenzschuldnerin ein Teilbetrag i.H. von 100,00 EUR auf den - nach § 33 Abs. 2 Satz 3 ihrer Satzung in der Fassung vom 01.10.2014 (Anlage K 1) sofort fälligen - Pflichtanteilsbetrag sowie weitere Teilbeträge i.H. von 3.657,00 EUR auf die Abschlussgebühr und i.H. von 643,00 EUR auf die weiteren Geschäftsanteile verrechnet wurden (vgl. S. 11 der Anspruchsbegründungsschrift des Klägers vom 30.07.2021; GA 20 i.V.m. LGU 3).

Mit seiner Klage macht der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf restliche Zahlung i.H. von insgesamt 19.257,00 EUR auf die übernommenen weiteren Anteile geltend, dessen Stundung er wegen Verstoßes gegen § 15b Abs. 2 GenG für gem. § 134 BGB nichtig erachtet. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils des Landgerichts vom 07.04.2022 (Aß 2 O 190/21) Bezug genommen.

Mit diesem im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteil hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 19.257,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.08.2021 zu bezahlen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die zulässige Klage sei begründet. Der Kläger habe als Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin (§ 80 InsO) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in der zugesprochenen Höhe bezüglich der noch ausstehenden Beträge für die von dieser übernommenen 200 "Geschäftsanteile" zum Nennwert von insgesamt 20.000,00 EUR. Dieser Anspruch ergebe sich aus §§ 12 Abs. 1b der Satzung der Insolvenzschuldnerin (Anlage K 1) i.V.m. der Beitrittserklärung vom 25.04.2015 (Anlage K 2).

Der Fälligkeit dieser ausstehenden Einlagezahlungen stehe auch nicht etwa die gem. Ziff. 3 der "Tariferklärung" vom 25.04.2015 (Anlage K 3) abgeschlossene Stundungsvereinbarung entgegen, da diese gegen § 15b Abs. 2 GenG verstoße und somit gem. § 134 BGB nichtig sei. § 15b Abs. 2 GenG fordere bei freiwilliger gleichzeitiger Übernahme mehrerer Anteile, wie sie hier gegeben sei, zum Schutz der Gläubiger zwingend die Volleinzahlung aller vorhergehenden Geschäftsanteile. Hiergegen verstoße die gem. Ziff. 3 der "Tariferklärung" vereinbarte Stundungsabrede, da danach die Beteiligung zwar sofort und unbedingt erfolge, die Zahlungspflicht jedoch gestundet sei. In der Beitrittserklärung vom 25.04.2015 (Anlage K 2) fänden sich sowohl unter Ziff. 3 und 4 als auch in dem Absatz auf Blatt 1 links oben (unterhalb des Wortes "Beitrittserklärung") Erklärungen, die auf eine sofortige Wirksamkeit des Beitritts schließen ließen. Ein anderes ergebe sich insb...

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