Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändungsgeschützte Lebensversicherung in der Insolvenzanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Umwandlung einer Lebensversicherung nach § 167 VVG in einen pfändungsgeschützten Vertrag i.S.d. § 851 c ZPO unterliegt nicht der Vorsatzanfechtung aufgrund einer analogen Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO.
2. Eine direkte Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Versicherer aufgrund eines Umwandlungsverlangens nach § 167 VVG, ggf. verbunden mit einer Erklärung zur Beitragsfreistellung nach § 165 VVG, grundsätzlich Kenntnis von beengten wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners erlangt. Eine solche Ausdehnung der Vorsatzanfechtung liefe dem Schutzzweck der §§ 167 VVG, 851c ZPO zuwider.
3. Eine Unentgeltlichkeitsanfechtung nach § 134 InsO scheitert daran, dass der Schuldner keine Leistung an sich selbst erbringen kann. Die Selbstbegünstigung des Schuldners ist durch § 851c ZPO für den Fall der Umwandlung einer Versicherung in einen pfändungsgeschützten Altersvorsorgevertrag erlaubt.
4. Ist eine monatliche Prämienzahlung vereinbart, so führt die Beitragsfreistellung des Lebensversicherungsvertrags nicht über die Anwendung des § 12 VVG zu einer abweichenden jährlichen Versicherungsperiode.
Normenkette
InsO §§ 133-134; VVG §§ 11-12, 167; ZPO § 851c
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 47 O 168/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.11.2022, Az. 47 O 168/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird hinsichtlich der Frage, ob die Umwandlung von Versicherungsverträgen nach § 167 VVG der Insolvenzanfechtung nach §133 InsO unterliegt, zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 68.908,29 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass die Umwandlung dreier Lebens- bzw. Rentenversicherungen, die der Schuldner H. H. bei der Beklagten unterhält, in pfändungsgeschützte Verträge unwirksam sei.
1. Über das Vermögen des Schuldners wurde auf Eigenantrag vom 09.01.2019 (Anl. K15) am 16.07.2019 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Anl. K1).
Der Schuldner unterhält als Versicherungsnehmer bei der Beklagten folgende Lebens- bzw. Rentenversicherungen mit unterschiedlichem Versicherungsbeginn:
Versicherungsnummer: |
Versicherungsbeginn: |
...537 |
01.08.1987 |
"LRK" |
|
...354 |
01.09.1987 |
"LRK" |
|
...725 |
01.09.1995 |
"Lebensversicherung" |
|
Ausweislich der in den Anlagen K 2 - 4 vorgelegten Versicherungsscheine war bei allen drei Verträgen eine monatlich zu zahlende Versicherungsprämie vereinbart. Auf Anfrage des Schuldners vom 22.08.2019 über seine Generalvertretung übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 13.09.2018 bzw. 18.09.2018 dem Schuldner Formulare für die Vereinbarung der Umwandlung der Verträge gemäß § 167 VVG jeweils in einen Vertrag, der den Voraussetzungen des § 851c ZPO entspricht und somit Pfändungsschutz für die Versicherungen bietet (Anl. K5). Mit Anträgen vom 20.09.2018 (Anl. K6) beantragte der Schuldner für alle drei Versicherungsverträge die Änderungen nach den Vorschlägen der Beklagten. Auf diese Anträge des Schuldners hin wandelte die Beklagte rückwirkend zum 01.09.2018 die drei Versicherungsverträge gemäß § 167 VVG um, was die Beklagte dem Schuldner mit Schreiben vom 02.10.2018 bestätigte (Anl. K6). Die Laufzeiten der Verträge wurden damals bis 01.08.2029 (Vers.-Nr. ...537) bzw. bis 01.11.2028 (Vers.-Nr. ...354 und ...725) verlängert.
Der Kläger forderte die Beklagte zunächst außergerichtlich mit Schreiben vom 21.12.2020 auf, zu bestätigen, dass die Versicherungen nicht dem Pfändungsschutz des § 851c ZPO unterlägen. Er erhob sodann Klage auf entsprechende Feststellung zum Landgericht Stuttgart, die der Beklagten am 17.08.2022 zugestellt wurde.
Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann gemäß § 167 S. 1 VVG jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 2 ZPO entspricht. Der Kläger ist der Auffassung, dass sich durch die Beitragsfreistellung die Versicherungsperiode in eine jährliche umgewandelt habe. Gemäß § 12 VVG gelte, wenn keine Zahlungspflicht mehr bestehe, als Versicherungsperiode der Zeitraum eines Jahres. Die vom Schuldner beantragte Umwandlung habe daher nicht jeweils zum auf den Antrag folgenden Monat, sondern erst zum 01.08.2019 bzw. 01.09.2019 wirksam werden können. Eine solche U...