Verfahrensgang
LG Ravensburg (Aktenzeichen 6 O 190/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 12.10.2020 - 6 O 190/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ravensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Streitwert: 147.370 Euro
Gründe
I. Die Klägerin betreibt eine Gaststätte. Sie macht Ansprüche gegen die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Betriebsschließungsversicherung geltend.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung (Stand: 01.07.2016; im Folgenden: AVB) bestimmen unter anderem Folgendes:
"1 Betriebsschließung
1.1 Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt;
Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
....
1.2 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
...
b) Krankheitserreger
...
1.3 Nicht versicherte Schäden
Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden
...
e) von Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf;
..."
Nicht in Ziff. 1.2 genannt sind die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) oder das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2).
Die Klägerin, die ihre Gaststätte vom 22.03.2020 bis zum 17.05.2020 geschlossen hatte, ist der Auffassung, ihr stehe ein Anspruch auf eine Leistung aus der Betriebsschließungsversicherung zu.
Sie hat in erster Instanz einen Anspruch für 51 Kalendertage erhoben, dabei eine Entschädigung von 3.000 Euro pro Tag geltend gemacht, was bei Berücksichtigung von 2 Arbeitstagen Selbstbehalt einen Betrag von 147.000 Euro ergeben hat. Außerdem hat die Klägerin - unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 500 Euro - einen Warenschaden i.H.v. 370 Euro beansprucht. Die Beklagte, die die Abweisung der Klage beantragt hat, hat einen Anspruch der Klägerin in Abrede gestellt.
Wegen des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die dort gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.10.2020, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Dabei hat es unter anderem ausgeführt, die Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger sei abschließend, der Wortlaut beinhalte keine dynamische Verweisung. Die ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern mache deutlich, dass der Versicherer nur für die benannten, von ihm einschätzbaren Risiken einstehen wolle. Weil sich darunter das zum Zeitpunkt der Bedingungskonstruktion noch gar nicht bekannte SARS-CoV-2-Virus und die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht befänden, fehle es an einer Eintrittspflicht des Versicherers.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie bringt dazu unter anderem vor, die Klausel in Ziff. 1.2 AVB sei so zu verstehen, dass auch eine Betriebsschließung wegen des aktuellen Corona-Virus unter den Versicherungsschutz falle. Andernfalls sei diese Regelung intransparent.
Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird Bezug genommen auf die Berufungsschrift vom 23.10.2020 sowie die Schriftsätze vom 17.11.2020, vom 05.02.2021 und vom 09.02.2021.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Ravensburg - 6 O 190/20 - vom 12.10.2020 aufzuheben und wie folgt neu zu fassen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 147.370 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 20.06.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin erstattungsfähige Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.162,70 Euro zu bezahlen zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.06.2020.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt in ihrer Berufungserwiderung vom 15.01.2021 sowie in den Schriftsätzen vom 17.11.2020 und vom 05.02.2021, auf die Bezug ge...