Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbswidrige Telefonwerbung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein unerbetener Telefonanruf im Privatbereich zu Werbezwecken verstößt grundsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG).
Von diesem Grundsatz abzuweichen gebietet weder Gemeinschaftsrecht (RL 97/7 EG) noch das am 30.6.2000 in Kraft getretene FernAbsG.
2. Sittenwidrig ist danach auch ein als Meinungsbefragung getarnter Telefonanruf, mit dem der Gewerbetreibende erfahren will, wie der Angerufene eine ihm zuvor übersandte Printwerbung beurteilt.
Normenkette
UWG § 1; GG Art. 5, 12
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 17 O 665/00) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 27.3.2001 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 100.000 DM/51.130 Euro abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Streitwert (für beide Instanzen): 80.000 DM/bis 40.000 Euro
Beschwer der Beklagten aus diesem Urteil: 80.000 DM
Tatbestand
Der Kläger, eine qualifizierte Einrichtung gem. § 22a des AGB-Gesetzes, nimmt die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Das LG hat den Anruf der Beklagten im Ausgangsfall als wettbewerbswidrig (§ 1 UWG) bewertet. Denn auch Anrufe, bei denen die Beklagte danach fragen lasse, wie der Angerufene die ihm zuvor übersandte Werbung bewerte, unterlägen den Grundsätzen zur Werbung durch unerwünschte telefonische Anrufe. Mit den Anrufen, die ein neutrales Meinungsforschungsunternehmen im Rahmen einer allgemeinen Umfrage durchführe, seien solche Anrufe nicht vergleichbar. Da die Beklagte ferner eigenem Eingeständnis nach planmäßig solche Anrufe durchführe und im konkreten Ausgangsfall eine Einwilligung des Angerufenen nicht vorgelegen habe, sei die Unterlassungsklage begründet.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung einlegen lassen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach Telefonate wie das hier streitgegenständliche der Marktforschung dienten. Solche Marktforschungsmaßnahmen finde die Bevölkerung nicht als unzumutbare Belästigung. Vielmehr wisse der durchschnittlich informierte und aufgeklärte Verbraucher, dass er an solchen Befragungsaktionen nicht teilnehmen müsse und es auch nicht unhöflich sei, wenn er die Teilnahme an einer solchen Aktion ablehne (Beweis: Sachverständigengutachten – demoskopische Umfrage). Für das Mittel des Telefonanrufs spreche zudem die Bequemlichkeit des Verbrauchers (er erspare sich die Mühe, Fragebogen etc. auszufüllen).
Die Rechtsprechung des BGH zur unzulässigen Telefonwerbung sei deshalb nicht einschlägig, weil es der Beklagten nicht darum gegangen sei, Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten. Diesen grundlegenden Unterschied habe das LG verkannt. Auch unter Berücksichtigung der Grundrechte (genannt werden u.a. Art. Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG) sowie von Gemeinschaftsrecht (genannt werden die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, die Fernabsatzrichtlinie, sowie die ISDN-Richtlinie), sei das Verhalten der Beklagten nicht als sittenwidrig anzusehen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 27.3.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt demgegenüber, die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
In ihrer Berufungserwiderung verteidigt sie das Urteil des LG als richtig.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.
1. a) Die Antragsbefugnis des jetzigen Klägers (kurz: VZBV) ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG sowie aus den §§ 13 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 22 AGBG i.V.m. § 22a AGBG. Der jetzige Kläger ist seit dem 20.4.2001 in der vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22a AGBG eingetragen (Bescheinigung: Bl. 73).
b) Der frühere Kläger (Verbraucherschutzverein e.V. Berlin) ist nach Klageerhebung verschmolzen auf den jetzt klagenden VZBV (Einzelheiten: Auszug aus Vereinsregister AG Charlottenburg vom 29.10.2001 – Bl. 76). Der frühere Kläger ist damit erloschen.
Welchen Einfluss ein solches Erlöschen einer juristischen Person auf schwebende Prozesse hat, ist zwar streitig (h.M. §§ 239, 246 ZPO gelten entsprechend – vgl. Hartmann in B.L.A.H., 49. Aufl. 2001, § 239 ZPO Rz. 3; zum Teil wird sogar angenommen, der übernehmende Rechtsträger rücke automatisch und ohne Unterbrechung in den Prozess ein – so z.B. Feiber in MünchKomm, § 239 Rz. 17).
Zu unterschiedlichen Ergebnissen führen diese Meinungen hier nicht. Denn die nach herrschender Meinung notwendige Erklärung des VZBV, er nehme den Rechtsstreit auf (§ 239 Abs. 1 ZPO entsprechend), liegt vor (vgl. Berufungserwiderung S. 2 = Bl....