Verfahrensgang
LG Ellwangen (Urteil vom 11.02.2020; Aktenzeichen 5 O 363/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 11.02.2020, Az. 5 O 363/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 17.642,58 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.
1. Der Kläger kaufte am 14.02.2011 bei einem Kfz-Händler ein Neufahrzeug XY zu einem Kaufpreis von 22.607,00 Euro. Es ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5), der vom sogenannten Abgasskandal betroffen ist, ausgestattet. Der Kläger verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors, Schadensersatz. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 69.466 km auf.
Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Mit verschiedenen zwischen dem 27. Januar 2016 und dem 20. Dezember 2016 erteilten Bestätigungen hat das KBA sämtliche betroffenen Fahrzeug- und Motorvarianten, darunter auch den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware installiert wird. Das Software-Update bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
2. Das Landgericht hat der auf Schadensersatz - in Form der Zahlung von 17.642,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent aus einem Betrag von 22.607,00 Euro seit dem 14.02.2011 bis zur Rechtshängigkeit und ab diesem Zeitpunkt von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs, hilfsweise auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz infolge des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung - ferner auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und Freistellung des Klägers von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.899,24 Euro gerichteten Klage teilweise stattgegeben.
Die Beklagte wurde zur Zahlung von 16.649,69 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2019 an den Kläger Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt. Ferner wurde festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Zudem wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.100,51 Euro freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen angeführt:
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises von 22.607,00 Euro gemäß §§ 826, 31, 831 BGB zu. Die Voraussetzungen des § 826 BGB seien gegeben. Allerdings sei von dem Kaufpreis, der Grundlage für die Berechnung des Schadens sei, eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.957,31 Euro abzuziehen, so dass der Schadensersatzanspruch 16.649,69 Euro betrage.
Die klägerischen Ansprüche seien nicht verjährt. Es könne keine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers im Jahr 2015 von den anspruchsbegründenden Umständen u...