Leitsatz (amtlich)
Auch im Umgang mit Kindern (hier: im Kindergartenalter) reicht es aus, wenn der Verkehrssicherungspflichtige mit einem für das praktische Leben tauglichen, aber eben gesteigerten Maß an Vorsicht verfährt und auf die erkennbaren Gefahren Acht hat. Eine Pflicht dahin, dass jedwedem theoretisch denkbaren Schadenseintritt vorgebeugt werden müsste, besteht hingegen auch gegenüber Kindern nicht.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 03.11.2014; Aktenzeichen 3 O 125/14 I) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Heilbronn vom 3.11.2014 (Az.: 3 O 125/14 I) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für beide Rechtszüge: bis 9.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus Verkehrssicherungspflichtverletzung für materielle und immaterielle Schäden wegen einer Verbrühung, Feststellung der Haftung des Beklagten dem Grunde nach und Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Heilbronn vom 3.11.2014 (Az.: 3 O 125/14 I) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage abgewiesen und ausgeführt:
Die Klage sei insgesamt zulässig.
En Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 1, 253 BGB bestehe nicht. Der Beklagte habe gegenüber der Klägerin keine Verkehrssicherungspflichten (dazu BGH, VersR 2006, 1083; BGH, VersR 2006, 233; BGH, VersR 2003, 1319, je m.w.N.) verletzt. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasse diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder ab-
strakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch, eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend werde eine Gefahr deshalb erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergebe, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten. Auch dann reiche es jedoch anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten seien (BGH, a.a.O.). Dabei seien Sicherungsmaßnahmen umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sei. Zugunsten von Kindern sei wegen deren Unerfahrenheit, Unbesonnenheit und Spiellust ein strengerer Sicherheitsmaßstab anzulegen (BGH NJW 1999, 2364; OLG Stuttgart VersR 2000, 333).
Nach diesen Maßstäben sei es nicht geboten gewesen, den Topf mit heißem Kinderpunsch mit einem fest schließenden Deckel so zu verschrauben, dass auch beim Herabfallen oder bei einem Zusammenstoß mit anderen Personen keine Flüssigkeit austreten könnte, oder sich gar von einer Sicherungsperson begleiten zu lassen, zumal unstreitig der Topf, den der Beklagte getragen habe, nur maximal zur Hälfte mit dem heißen Kinderpunsch gefüllt und daher die Gefahr des Herausschwappens von Flüssigkeit sehr gering gewesen sei. Der Beklagte habe nicht damit rechnen und sich auch nicht darauf einstellen müssen, dass ein Kind mit einer solchen Wucht gegen den Topf renne, dass durch den Zusammenprall erhebliche Mengen heißer Flüssigkeit austräten und das Kind verbrühen könnten.
Die Klägerin sei, wie die Anhörung des Beklagten ergeben habe, sehr schnell auf den Beklagten zugelaufen und habe sich dann mit ihren Händen an dem Topf abgestützt. Dies sei so ungewöhnlich, dass der Beklagte hierfür nicht Vorsorge habe treffen müssen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Sie trägt vor:
Der Beklagte habe als Erzieher gewusst und zumindest wissen müssen, dass Kinder beim Spielen herumtollen. Er habe eine Gefahrenquelle geschaffen, indem er heißen Kinderpunsch von oben nach unten transportiert habe, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, ein Gefäß mit verschlossenem Deckel zu beschaffen. Er hätte in einem quasi offenen, wenn auch vielleicht mit einem nicht verschraubten Deckel versehenen Topf die Flüssigkeit nicht transportieren dürfen. Er habe damit rechnen müssen, dass sich in einem Kindergarten Kinder bewegen und Kinder auch rennen. Ein fest verschlossener Topf hätte die Gefahren verhindert.
Für die Klägeri...