Leitsatz (amtlich)

1. Wird durch Zwischenfeststellungsurteil festgestellt, dass ein Vertrag zu Stande gekommen ist, steht die Rechtskraft dieses Urteils der Anfechtung der zum Vertrag führenden Willenserklärung auch dann entgegen, wenn die Anfechtung nach Rechtskraft des Zwischenfeststellungsurteils erklärt wird.

2. Beruft sich der Auftraggeber darauf, dass ein wirksamer Architektenvertrag nicht zu Stande gekommen sei und verweigert er auf dieser Grundlage die Erfüllung des Vertrags, kann die Erfüllungsverweigerung im Falle der Wirksamkeit des Vertrags nicht ohne Weiteres als konkludente Kündigung angesehen werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 16. Mai 1968 - VII ZR 40/66 -, BGHZ 50, 175-179, juris Rn. 18).

3. Zur außerordentlichen Kündigung eines Architektenvertrags, wenn der Architekten nach Vertragsschluss wegen berufsrechtlicher Verstöße aus der Architektenliste gelöscht wird.

 

Normenkette

ArchG BW §§ 2, 6; BGB § 314; ZPO §§ 314, 767 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 05.05.2022; Aktenzeichen 28 O 195/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5.5.2022 (Az. 28 O 195/14) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 67.785,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.7.2018 zu bezahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger 12% und die Beklagte trägt 88%.

4. Dieses Urteil und das Urteil des LG Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Streitwert: 1.164,481,48 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger ist eine bayrische Gemeinde. Er fordert von der Beklagten die Rückzahlung von Abschlagszahlungen, die er auf Abschlagsrechnungen der Beklagten für Architektenhonorar bezahlt hat. Die Beklagte verlangt mit ihrer Widerklage weiteres Architektenhonorar.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes 1. Instanz im Übrigen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils 1. Instanz verwiesen.

Der Kläger stützte die Klage auf Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen zunächst darauf, dass zwischen den Parteien kein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei. Aufgrund Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten stellte das Landgericht durch Teilurteil vom 27.7.2015 fest, dass der Architektenvertrag zwischen den Parteien vom 28.3.2012, wirksam zu Stande gekommen ist. Dieses Urteil wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1.6.2017 (VII ZR 49/16) rechtskräftig.

A. Das Landgericht hat der auf Rückzahlung geleisteter Anzahlungen von 215.005,33 EUR gerichteten Klage stattgegeben und die auf Zahlung weiteren Architektenhonorars gerichtete Widerklage abgewiesen. Der Kläger habe den mit der Beklagten geschlossenen Architektenvertrag wirksam angefochten. Dem stehe das Zwischenfeststellungsurteil nicht entgegen. Die Organe der Beklagten hätten den Kläger im Rahmen des VOF-Vergabeverfahrens für das streitgegenständliche Bauvorhaben arglistig über die Personen der "Leistungserbringer" im Sinne des § 4 Abs. 3 VOF a.F. und mithin über ihre fachliche und personelle Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit getäuscht. Das habe die Verwertung der beigezogenen Akten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts nebst Beiakten und die Einvernahme der Zeugen W, Z, Sch. und H am 17.06.2019 zur Überzeugung der Kammer ergeben. Nachdem nicht die Personen, die in den Bewerbungsunterlagen (Anlage K10) als Projektteam genannt seien, für die Beklagte tätig geworden seien, stehe bereits nach dem Vorbringen der Beklagten fest, dass das Projektteam, dessen jederzeitige Verfügbarkeit die Beklagte in ihrer Bewerbung für das VOF-Vergabeverfahren zugesichert habe und dessen fachliche Eignung mit den Angaben zur Berufserfahrung und zu den Referenzobjekten nachgewiesen werden sollte, intern überhaupt nicht für die Bearbeitung des Bauvorhabens des Klägers vorgesehen gewesen sei. Die Organe der Beklagten hätten arglistig gehandelt, die Organe des Klägers seien einem entsprechenden Irrtum unterlegen. Die Anfechtungserklärung sei innerhalb der Jahresfrist (§ 124 BGB) erklärt worden.

Der Vertrag sei daher als von Anfang an nichtig anzusehen und nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB rückabzuwickeln, weshalb die Beklagte die seitens des Klägers geleisteten Abschlagszahlungen zurückzuzahlen habe.

Wegen der erfolgreichen Anfechtung des Vertrags sei auch die auf Zahlung weiteren Honorars gerichtete Widerklage unbegründet. Der Beklagten stehe kein Bereicherungsanspruch zu. Sie habe zwar unstreitig Planungsleistungen erbracht, eine Wertersa...

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