Leitsatz (amtlich)

1. Zur markenrechtlichen Ähnlichkeit im Klang von "e-motion" und "iMOTION".

2. Bei der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sind nicht alle theoretisch denkbaren, sondern nur diejenigen Aussprachemöglichkeiten zu berücksichtigen, die nach den allgemeinen Ausspracheregeln für ähnlich aufgebaute Wörter der Umgangssprache als Aussprachevarianten konkret naheliegen; dabei kann im Einzelfall auch der Sinngehalt mitbestimmend sein.

3. Die den Verfügungsgrund liefernde Dringlichkeit ist allein im Verhältnis der jeweiligen Parteien und somit unabhängig davon zu beurteilen, ob der Verfügungskläger ähnliche Verletzungshandlungen eines Dritten schon längere Zeit gekannt und ohne Reaktion gelassen hat.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 01.04.2004; Aktenzeichen 41 O 31/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 1.4.2004 - 41 O 31/04 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 75.000 EUR.

 

Gründe

Die Verfügungsklägerin befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb elektrischer Antriebe und Motoren und den dazugehörenden Regelungen und Steuerungen. Sie ist Inhaberin der nachfolgend wiedergegebenen Wort-/Bildmarke "e-motion" mit Anmeldepriorität v. 3.4.1997, die sie 1998 erworben hat und für die Schutz beansprucht wird u.a. für die Regelungs- und Steuereinrichtungen für elektrische Antriebe.

Die Verfügungsbeklagte vertreibt seit Ende des Jahres 2003 Produkte des amerikanischen Unternehmens (IR), das Inhaber der amerikanischen Marke "iMOTION" ist, die für Komponenten der Regelungs- und Steuerungstechnik, aber auch für Steuerungen selbst benutzt wird.

Die Verfügungsklägerin bezieht Komponenten von IR zum Einbau in ihre Geräte. Seit der Jahreswende 2003/2004 bewirbt die Beklagte im Internet Module und Steuerungen von IR unter der Bezeichnung "iMOTION".

Das Zeichen weist folgende grafische Gestaltung auf:

Die Verfügungsklägerin sieht in der Verwendung der Bezeichnung "iMOTION" eine Verletzung ihrer Marke und hat am 16.2.2004 eine Beschlussverfügung erwirkt, wobei der Verfügungsbeklagten bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "iMOTION" für Design-Plattformen für Bewegungssteuerungen sowie Systeme, Module und Komponenten der elektrischen Antriebstechnik zu verwenden.

Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt mit der Begründung, eine Verwechslungsgefahr sei aufgrund der unterschiedlichen Aussprache der beiden Begriffe nicht gegeben. Darüber hinaus handle die Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich, da sie die deutsche IR-Vertriebsgesellschaft nicht auf Unterlassung in Anspruch nehme.

Mit Urt. v. 1.4.2004 hat das LG Stuttgart die einstweilige Verfügung bestätigt. Die Verwechslungsgefahr hat das LG aus der identischen Aussprache ("i-mouschn") der beiden Begriffe und der Warenähnlichkeit begründet.

Mit der Berufung macht die Verfügungsbeklagte geltend, dass die allein in Betracht kommende klangliche Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei. Die Bezeichnung "e-motion" werde von den Kunden der Verfügungsklägerin, die ausschließlich in Deutschland tätig sei, deutsch gesprochen im Gegensatz zu der Bezeichnung "iMOTION", die englisch (ai-mouschn) ausgesprochen werde. Einer Verwechslungsgefahr stehe auch entgegen, dass die Abnehmer der Parteien nicht identisch seien. Die Kunden der Verfügungsklägerin benötigten das von der Verfügungsklägerin hergestellte Fertigprodukt für den Einsatz in ihrem Betrieb, während die Kunden der Verfügungsbeklagten aus den bei ihr bezogenen Einzelteilen selbst Produkte herstellen, die anschließend verkauft würden. Im Übrigen fehle es an der erforderlichen Dringlichkeit, da die Verfügungsklägerin bereits im Sommer 2003 Kenntnis von der Existenz der angegriffenen Bezeichnung "iMOTION" gehabt habe.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, das Urteil des LG Stuttgart vom 1.4.2004 abzuändern und die Beschlussverfügung vom 16.2.2004 aufzuheben.

Die Verfügungsklägerin hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat zu Recht die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG und den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund bejaht.

1. Bei der Verwechslungsgefahr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insb. der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH v. 27.11.2003 - I ZR 148/01, CR 2004, 279 = MDR 2004, 583 = BGHReport 2004, 461 = WR...

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