Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 30.10.2020; Aktenzeichen 29 O 367/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.10.2020, Az. 29 O 367/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.138,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.795,92 EUR seit dem 31.07.2020 bis zum 19.10.2021 und aus 18.138,43 EUR seit dem 20.10.2021 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW ..., FIN ...
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 11 % und die Beklagte 89 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 15 % und die Beklagte 85 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Streitwert: bis 22.000,00 EUR
Gründe
A. Streitig sind Ansprüche des Klägers in Zusammenhang mit dem Erwerb eines PKW.
I. Der Kläger hat am 26.02.2014 bei der ... GmbH & Co KG einen mit einem Dieselmotor des Typs ... ausgestatteten Neuwagen der Marke PKW ... bestellt. Als Kaufpreis wurde eine Zahlung von 25.961,00 EUR vereinbart.
Der Kläger hat erstmals mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 13.07.2020 von der Beklagten Schadensersatz gefordert. Seine Klage vom 16.07.2020 wurde der Beklagten am 30.07.2020 zugestellt. Der Musterfeststellungsklage hat er sich nicht angeschlossen.
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, der Motor seines PKW verfüge über eine Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennungssoftware. Bei dem Aufspielen des von der Beklagten entwickelten Updates sei eine weitere Abschalteinrichtung implementiert worden, die eine Abgasreinigung nur bei Außentemperaturen zwischen 10°C bis 32°C sowie bis zu einer Höhe von 1.000 m erlaube. Seine Schadensersatzforderung sei nicht verjährt. Überdies sei der Beklagten die Erhebung der Verjährungseinrede verwehrt.
Die Beklagte hat erstinstanzlich eine ihr obliegende Schadensersatzpflicht zurückgewiesen und die Einrede der Verjährung erhoben. Dem Vorwurf des Klägers in Bezug auf das Thermofenster ist sie in ihrer Klagerwiderung entgegengetreten.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der von ihnen gestellten Anträge wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
II. Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben und die Beklagte u.a. zur Zahlung von 21.420,73 EUR Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen PKW verurteilt.
Die Beklagte habe den Kläger durch Inverkehrbringen eines mit einer manipulierten Steuerungssoftware versehenen Motors in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Der Kläger müsse sich allerdings im Rahmen der Schadensausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen in Höhe von 4.540,27 EUR anrechnen lassen.
Der Schadensersatzanspruch des Klägers sei nicht verjährt. Der Kläger habe zunächst darauf vertrauen dürfen, dass der Mangel an seinem PKW durch das Update behoben werde.
Die Beklagte befinde sich im Annahmeverzug und sei verpflichtet, den Kläger von einer Forderung wegen vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.142,14 EUR freizustellen sowie Zinsen auf den Kaufpreis seit 31.07.2020 zu leisten.
III. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
Der vom Kläger behauptete Anspruch sei verjährt. Dem Kläger wäre die Erhebung seiner Klage spätestens im Jahr 2016 möglich gewesen, da er mit Erhalt des Kundenanschreibens vom Februar 2016 von der Betroffenheit seines PKW erfahren habe. Der Beginn der Verjährung erfordere keine gesicherte Rechtslage. Das Landgericht hätte hierzu - wie von ihr, der Beklagten, beantragt - den Kläger als Partei vernehmen müssen.
Ein Anspruch aus § 852 BGB bestehe mangels wirtschaftlichen Schadens nicht. Das Eingehen einer "ungewollten Verbindlichkeit" begründe lediglich einen normativen Schaden.
§ 852 BGB diene zudem lediglich der Gewinnabschöpfung. Bei der Bemessung des Erlangten im Sinne des § 852 Satz 1 BGB komme es daher maßgeblich auf den Vermögenszuwachs beim Schädiger infolge des schadensstiftenden Ereignisses an, weshalb in dem hier vorliegenden Streitfall nicht auf den vom Kläger gezahlten Kaufpreis, sondern auf den bei ihr, der Beklagten, entstandenen Nettogewinn abzustellen sei. Da ihr jedoch keine Daten vorliegen würden, die Auskunft über den Gewinn geben könnten, der mit dem Verkauf von ...-Fahrzeugen auf...