Leitsatz (amtlich)
1. Zum Schutzumfang einer Kollektivmarke, die eine geographische Herkunftsangabe und weitere beschreibende Angaben enthält.
2. Die Anwendung von § 100 Absatz 1 i.V.m. § 127 MarkenG bei der Bestimmung der Grenzen zur Benutzung einer Kollektivmarke ist nicht durch die EU-Verordnung Nr. 1151/2012 gesperrt. Der Schutz von Marken, die eine geografische Herkunftsangabe enthalten, wird durch die Verordnung nicht berührt, wenn ein Antrag auf europaweiten Schutz der entsprechenden Herkunfts- oder Ursprungsbezeichnung erst nach Anmeldung der Marke gestellt wurde. Die Möglichkeit, geografische Herkunftsangaben als Kollektiv- oder Individualmarke zu schützen, steht mit dieser Maßgabe grundsätzlich selbständig neben dem Schutz nach der EU-Verordnung Nr. 1151/2012.
3. Ob die Benutzung eines Zeichens, das mit einer Kollektivmarke übereinstimmt, die ihrerseits eine geografische Herkunftsangabe und weitere beschreibende Angaben enthält, gegen die guten Sitten i. S. v. § 100 Abs. 1 MarkenG bzw. die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel i. S. v. Art. 29 Abs. 3 S. 2 RL (EU) 2015/2436 und § 23 Abs. 2 MarkenG verstößt, ist aufgrund einer Gesamtabwägung festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Verbraucher wegen der Unterscheidungskraft der Kollektivmarke zu der irrigen Auffassung gelangen können, dass der Dritte dem Kollektiv angehört oder die Waren jedenfalls gewissen Qualitätsanforderungen bzw. Produktionsmethoden entsprechen, die für Produkte, die mit diesen Kennzeichen versehen sind, üblich sind und daher erwartet werden. Weiter ist zu berücksichtigen, welche Anstrengungen der Dritte unternimmt, um sicherzustellen, dass die Verbraucher seine Waren von denjenigen des Markeninhabers unterscheiden. Schließlich darf eine Benutzung den Wert der Marke nicht dadurch beeinträchtigen, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt.
Normenkette
MarkenG §§ 14, 23, 100, 127; EURL 2436/2015 Artikel 29; TRIPS Artikel 24 Abs. 5; VO (EU) 1151/2012 Artikel 14
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 03.04.2018; Aktenzeichen 17 O 1532/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 03.04.2018 - Az. 17 O 1532/16 - wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - im Wiederholungsfall bis zur Höchstdauer von insgesamt zwei Jahren -, Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Beklagten Ziff. 2, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnungen "Hohenloher Weiderind" und/oder "Hohenloher Landschwein" für Fleisch, Fleischwaren und/oder Fertiggerichte zu benutzen, insbesondere unter diesen Bezeichnungen die Produkte anzubieten, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, für diese zu werben oder diese zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziffer I.1 unter Vorlage entsprechender Einkaufs- oder Verkaufsbelege zu erteilen durch Angaben über
die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Gegenstand, Menge, Zeitpunkt, Preisen sowie Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Käufer oder Empfänger, einschließlich der Menge der noch im Besitz der Beklagten befindlichen Ware,
die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbegegenstand, Werbeträger, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, einschließlich der Verwendung auf Geschäftspapieren,
die Herkunfts- und Vertriebswege, Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie
den erzielten Umsatz, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren und unter Angaben der Gestehungskosten nach Kostenfaktoren ohne Fixkosten.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem aus Handlungen gemäß Ziffer I.1 entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.
4. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von der Forderung der L. für die Abmahnung über 1.973,90 Euro freizustellen.
5. Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen der Kläger ein Viertel und die Beklagten drei Viertel.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert in beiden Rechtszügen: 600.000,00 Euro
(in jedem Prozessrechtsverhältnis jeweils 325.000,00 Euro)
Gründe
A Der Kläger verlangt von den Bek...