Leitsatz (amtlich)
1. In der Berufungsinstanz ist auch die internationale Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen, § 513 Abs. 2 ZPO n.F.
2. Die Klage aus einer Gewinnzusage (§ 661a BGB) kann gem. Art. 15 Abs. 1c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO auch dann im Gerichtsstand des Verbrauchers erhoben werden, wenn eine gleichzeitige Warenbestellung nicht vorliegt und für die Teilnahme am Gewinnspiel auch nicht vorausgesetzt wurde.
3. Nach § 661a BGB hat der Unternehmer dem Verbraucher den versprochenen Preis zu leisten, wenn er durch die Gestaltung der Gewinnzusage den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher den Preis gewonnen habe. Maßgeblich ist die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers nach einem generell-abstrakten Maßstab ohne nähere Prüfung. Versteckte Hinweise auf die Unverbindlichkeit der Zusage hindern den Anschein eines Preisgewinns und damit die Leistungspflicht des Unternehmers nicht.
Normenkette
ZPO § 513 Abs. 2; EuGVVO § 15 Abs. 1c, § 16; BGB § 661a
Verfahrensgang
LG Rottweil (Aktenzeichen 2 O 513/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Rottweil vom 27.6.2002 – 2 O 513/2001 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: bis 35.000 Euro.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Gewinn aus einer Gewinnzusage geltend.
Die Beklagte ist ein Versandhandelsunternehmen mit Sitz in S., das von dort aus an in Deutschland wohnende Endverbraucher herantritt. Im Juni oder Juli 2001 erhielt die in F. wohnende Klägerin ein in K. aufgegebenes Schreiben der Beklagten, bei dem schon auf dem Umschlag in rotem Fettdruck angegeben war: „Betrifft: Jackpot-Gewinn von 60.000 DM. Letzter Aufruf zur Gewinn-Anforderung!” In dem Umschlag befand sich ein an die Klägerin persönlich gerichtetes Schreiben, das auszugsweise folgenden Wortlaut hatte:
„Betrifft: Jackpot-Gewinn von 60.000 DM. Letzter Aufruf zur Gewinnanforderung Frau M.!
60.000 DM liegen sicher in unserem Safe der Finanzbuchhaltung und warten auf Auszahlung! Ja, liebe Frau M. es stimmt: Der Bargeld-Gewinn i.H.v. 60.000 DM liegt noch immer in unserem Safe. Warum fordern Sie Ihren Gewinn nicht an, liebe Frau M.?… Niemand außer Ihnen kann mit Ihrem persönlichen Gewinn-Scheck den Gewinn anfordern. Denn er trägt ja Ihren Namen, und außerdem habe ich darauf Ihre persönliche Gewinn-Nummer eingetragen …
Auch eine 2. Einlöse-Marke habe ich Ihnen beigefügt. Sie hat die volle Gültigkeit … Wenn Sie mir jetzt nicht antworten, heisst es unwiderruflich: Ihr Jackpot-Gewinn von 60.000 DM geht an einen anderen Teilnehmer!
PS: Dieser letzte Einlöse-Scheck ist Ihr Schlüssel zum Jackpot über 60.000 DM!”
Diesem Schreiben war ein „Einlöse-Scheck” für einen „Jackpot-Gewinn von 60.000 DM” beigefügt, der Namen und Anschrift der Klägerin sowie eine bestimmte „Gewinn-Nummer” trug, die sich auf der „nur persönlich gültigen” „Einlöse-Marke” wiederfand. Der Scheck war „gültig für die Anforderung Ihres Jackpot-Gewinns von 60.000 DM”, unterschrieben von einem Herrn D. als Ziehungsleiter mit dem Vermerk, die Klägerin habe nur noch 7 Tage Zeit, den Gewinn anzufordern. Diesen Unterlagen waren verschiedene Prospekte für Bestellungen bei der Beklagten beigefügt. Der von der Klägerin mit der Gewinnanforderung beauftragte Rechtsanwalt übersandte der Beklagten daraufhin am 13.7.2001 den mit der „Einlöse-Marke” beklebten „Einlöse-Scheck” nebst Vollmacht. Die beiden über Datum und Unterschrift vorgedruckten Zeilen „die Auszahlungs-Vorschriften habe ich zur Kenntnis genommen und verstanden” waren gestrichen.
In der Folge lehnte die Beklagte die Auszahlung des Gewinns ab und berief sich darauf, auf alle Teilnehmer des Gewinnspiels würden numerierte Einlöse-Marken verteilt, die zum Abruf eines Gewinnanteils aus der Gesamtsumme berechtigten. Die Höhe der einzelnen Gewinnanteile bemesse sich nach der Anzahl der eingehenden Einlöse-Schecks, wobei Gewinnanteile unter 3 DM aus Kostengründen nicht bar ausbezahlt würden. Überraschenderweise hätten sich doch weit mehr Personen als erwartet gemeldet. Die Anzahl der gültigen Rückmeldungen sei so hoch, dass der einzelne Gewinnbetrag 3 DM unterschreiten würde. Gemäß den Vergabebedingungen könne keine Auszahlung vorgenommen werden.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, das Schreiben der Beklagten an sie sei so zu verstehen, dass sie allein 60.000 DM gewonnen habe. Ihr sei unmissverständlich ein Bargeldgewinn von 60.000 DM zugesagt worden, so dass die Beklagte gem. § 661a BGB verpflichtet sei, ihr diesen Betrag zukommen zu lassen. Dass der Gewinn auf alle Einsender der Einlöse-Schecks habe verteilt und Gewinne unter 3 DM nicht hätten ausgezahlt werden sollen, sei dem Schreiben, das sie erhalten habe, nicht zu entnehmen gewesen. Die Beklagte müsse sich an dem festhalten las...