Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulässigkeit der positiven Feststellungsklage nach Wiederruf eines Verbraucherdarlehensvertrages.
2. Zur Änderung des Klagebegehrens des in erster Instanz (mit der positiven Feststellungsklage) erfolgreichen Klägers nach Ablauf der Frist zur Anschlussberufung.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 28.07.2016; Aktenzeichen 25 O 62/16) |
Tenor
1. Die Anschlussberufung der Kläger aus dem Schriftsatz vom 24.4.2017 wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 25. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 28.7.2016, Az. 25 O 62/16, abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf bis 185.000 Euro.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Widerruf und Rückabwicklung eines Immobiliardarlehensvertrags.
Die Kläger und die Beklagte schlossen unter dem 25./28.1.2008 einen grundpfandrechtlich gesicherten Immobiliardarlehensvertrag (Nr...859) mit einem Nominalbetrag von 225.000 Euro. Der Nominalzins betrug 5,12 % p.a., der effektive Jahreszins 5,24 %. Vereinbart waren eine fünfzehnjährige Zinsbindung und eine anfänglicher Tilgung von 1,0 %. Das Darlehen wurde in voller Höhe ausbezahlt. Die monatliche Annuität betrug 1.147,50 Euro.
Der Darlehensvertrag enthielt folgende Belehrung:
Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.4.2016 (Anlage K 3) widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Zuvor hatten sie mit anwaltlichem Schreiben vom 1.2.2016 (Anlage B 4) auf die Widerruflichkeit hingewiesen und mit ebenfalls anwaltlichem Schreiben vom 29.2.2016 an das Schreiben vom 1.2.2016 erinnert. Die Beklagte reagierte auf die vorgerichtlichen Schreiben nicht.
Die Kläger sind der Rechtsmeinung, der erklärte Widerruf sei wirksam, weil die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Belehrung sei nicht gesetzmäßig erfolgt, auf Musterschutz könne sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen. Die Ausübung des Widerrufsrechts sei im Übrigen auch weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich noch aus sonstigen Gründen unzulässig.
Die Kläger hatten in erster Instanz beantragt, festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nummer...859 vom 25./28.1.2008 über einen Nominalbetrag von 225.000 Euro durch wirksamen Widerruf der Kläger beendet und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden sei. Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war erstinstanzlich der Rechtsauffassung, die erteilte Belehrung genieße Musterschutz. Die Geltendmachung des Widerrufsrechts sei außerdem rechtsmissbräuchlich, das Widerrufsrecht zudem verwirkt. Die Beklagte stützt diese Auffassung namentlich auf den Zeitablauf zwischen Vertragsschluss und Erklärung des Widerrufs von über sieben Jahren.
Das LG hat antragsgemäß die Umwandlung des streitbefangenen Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis festgestellt. Die erteilte Belehrung genieße wegen Abweichungen des Passus zu den finanzierten Geschäften von der Musterbelehrung keinen Musterschutz. Die Ausübung des Widerrufsrechts sei auch nicht unzulässig, das Widerrufsrecht mangels vertrauensbegründender Umstände auch nicht verwirkt.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr Rechtschutzziel einer Klageabweisung weiter. Hierbei wiederholt und vertieft sie die erstinstanzlich vorgetragenen Argumente. Die Treuwidrigkeit des klägerischen Verhaltens ergebe sich darüber hinaus auch aus dem mehrmonatigen Zeitablauf zwischen erstem Anschreiben der Kläger an die Beklagte und der tatsächlich erfolgten Erklärung des Widerrufs.
Die Beklagte/Berufungsklägerin beantragt:
Auf die Berufung wird das Urteil des LG Stuttgart vom 28.7.2016 (25 0 62/16) im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Mit Verfügung vom 17.11.2016 (Bl. 111 f. d.A.) hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung bestimmt und den Klägern zugleich Frist zur Berufungserwiderung gesetzt bis 13.1.2017. Die Verfügung, welche dem Klägervertreter am 23.11.2016 mittels Empfangsbekenntnis (Bl. 113 d.A.) förmlich zugestellt wurde, enthielt nachstehend zu der o.g. Fristsetzung folgende Belehrung:
Hinweis (§§ 521 Abs. 2, 277, 296 ZPO):
Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Berufungserwiderung vor Ablauf der Frist beim Gericht eingeht. Grundsätzlich kann sich die Berufungsbeklagtenpartei nur bis zum Ablauf dieser Frist gegen den von der Berufungsklagepartei geltend gemachten Anspruch verteidigen und zum Beispiel Einreden und Einwendung...