Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 264a StGB beim Vertrieb von Beteiligungen an Erdölexplorationen.
2. Der Vertriebsleiter, der den Vertrieb eines Kapitalanlageprodukts aufbaut, unterhält und organi- siert, macht sich die in einem Verkaufsprospekt enthaltenen Angaben zu eigen.
3. Ein Prospekt über den Verkauf von Anteilen an einem Projekt zur Entwicklung von Ölförderungen ist fehlerhaft, wenn nicht angegeben wird, dass neben einem Agio von 5 % weitere 11 % für Vertriebskosten aufgewendet werden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; StGB § 264a
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 15.11.2017; Aktenzeichen 4 O 77/17) |
Tenor
I. Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 15.11.2017 - Az. 4 O 77/17 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 den Betrag von 25.546,37 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile der Klägerin Ziff. 1 am "R." - Projekt der A. Inc. und der Anteile der Klägerin Ziff. 1 an den "Working lnterests" von 0,2 an der Quelle "M.".
2. Der Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an den Kläger Ziff. 2 den Betrag von 25.575,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile des Klägers Ziff. 2 am "R." - Projekt der A. Inc. und der Anteile des Klägers Ziff. 2 an den "Working lnterests" von 0,2 an der Quelle "M.".
3. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte Ziff. 1 mit der Annahme der in Ziffer 1 und 2 genannten Anteile im Annahmeverzug befindet.
4. Der Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.03.2017 zu bezahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Gerichtskosten und von den außergerichtlichen Kosten der Kläger für beide Rechtszüge tragen die Kläger zwei Drittel und der Beklagte Ziff. 1 ein Drittel. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 1 für beide Rechtszüge trägt dieser selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 2 und 3 für beide Rechtszüge tragen die Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 51.122,33 Euro
Gründe
A. Die Kläger begehren Schadensersatz für Zahlungen, die sie für den Erwerb von Beteiligungen an Erdölrechten in den USA an die A. Inc. aufgebracht haben.
I. Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Zusammenfassend und ergänzend: Die A. Inc. bot Beteiligungen an Erdölexplorationen in den USA an. Die Beklagten sind Gesellschafter, der Beklagte Ziff. 3 infolge eines Erbgangs. Die Gesellschaft initiierte zusammen mit sog. Operatoren Erdöl- und Erdgasbohrvorhaben in den USA. Bei dem Operator handelt es sich um eine juristische Person, die staatlich ermächtigt ist, nach erteilter Bohrgenehmigung Erdöl- und Erdgasbohrungen durchzuführen. Zu Beginn erarbeitet der Operator ein Erdölfördergebiet geologisch. Sodann findet er im zuständigen Court House heraus, wer die Landeigentümer sind und wem demzufolge die Förderrechte zustehen. Sodann schließt er mit den jeweiligen Landeigentümern einen Vertrag über den Erwerb der Förderrechte ("working interests") und die Höhe der Förderabgabe (Bl. 25). Anschließend überträgt der Landeigentümer die Förderrechte für das Gebiet per eingetragenem "Assignment" (Übertragungsvertrag) auf den Operator. Die Gesellschaft A. Inc. investierte bei dem Operator, um die Bohranlagen zu erstellen. Daraufhin wurden ihr anteilige Förderrechte ("working interests") an den Pachtgrundstücken ("Leases") per "Assignment" übertragen. Die Gesellschaft fasste die Förderrechte an mehreren Quellen zusammen und veräußerte sodann Anteile an dem Projekt mit Hilfe von deutschen Vertriebspartnern an private und gewerbliche Anleger (Bl. 26). Die Förderrechte sollten den Anlegern wiederum per "Assignment" übertragen und im Register des zuständigen Court Houses eingetragen werden (Bl. 27).
Im Sommer 2009 hörte der Kläger Ziff. 2 einen Vortrag des Beklagten Ziff. 1, des "Präsidenten" der A. Inc. Daraufhin vermittelte eine Anlagenvermittlerin beiden Klägern jeweils einen Förderanteil von 0,2 % an dem Projekt "R." zum Preis von 44.000,00 USD zzgl. eines Agios von 5 % (2.200,00 USD), insgesamt umgerechnet rund 32.500,00 Euro.
Vor der Unterzeichnung erhielten die Kläger die zur Akte gereichte rund 20-seitige Broschüre laut Anlage A 3, die keine verantwortliche Person der Gesellschaft namentlich bezeichne...