Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 17.05.2019; Aktenzeichen 3 O 331/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 17.05.2019, Az. 3 O 331/18, abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.638,20 EUR zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Axx mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...5 nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief (= Zulassungsbescheinigungen Teil 1 und 2) und Serviceheft.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen aus 14.638,20 EUR i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.01.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte ist mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Verzug.

4. Der Anspruch in Ziffer 1 resultiert aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung.

5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten i.H.v. 1.029,35 EUR freizustellen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz trägt der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

VI. Streitwert für das Verfahren erster Instanz: Streitwertstufe bis 19.000,00 EUR

Streitwert für das Berufungsverfahren: Streitwertstufe bis 16.000,00 EUR

 

Gründe

I. Die Klagepartei begehrt mit ihrer Klage von der Beklagten Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw, der vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist.

Die Klagepartei erwarb am 21.07.2011 bei Ayy den Pkw Axx zum Kaufpreis von brutto 24.400,00 EUR (Anl. K 1). Es handelte sich um ein gebrauchtes Fahrzeug, das bei Übergabe an die Klagepartei einen Kilometerstand von 25.249 km aufwies. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 der Emissionsklasse Euro-5 verbaut. Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klagepartei eine EG-Typgenehmigung nach der Euro-5-Norm vor. Die bei dem Fahrzeug verbaute Motorsteuergerätesoftware weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus eins, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus null betrieben, was zu höheren Emissionen führt.

In einer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 informierte die Beklagte über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA 189. Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrtbundesamt bezüglich der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträgliche Nebenbestimmungen, da es davon ausging, dass die verwendete Motorsteuersoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält. Hierauf entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das vom Kraftfahrtbundesamt für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs freigegeben wurde. Die Klagepartei ließ das Software-Update bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufspielen.

Die Klagepartei beauftragte die jetzigen Klägervertreter mit der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche (Anl. K 29).

Die Klagepartei hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Verhalten der Beklagten erfülle den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorsteuersoftware sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007. Der Einbau der Motorsteuersoftware sei mit Wissen und Wollen des Vorstands und führenden Mitarbeitern erfolgt.

Wenn die Klagepartei von dem Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, so hätte sie das Fahrzeug nicht erworben. Sie könne deshalb von der Beklagten Schadensersatzes in Höhe des an die Verkäuferin bezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.803,09 EUR (berechnet auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km) für den Gebrauch des Fahrzeugs von der Beklagten verlangen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Daneben hat die Klagepartei Deliktszinsen aus § 849 BGB ab der Zahlung des Kaufpreises verlangt sowie die Feststellung begehrt, dass die Forderung aus einer vorsätzlich begang...

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