Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 30.07.2019; Aktenzeichen 3 O 92/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 30.07.2019, Aktenzeichen 3 O 92/19, abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 23.458,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.12.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des PKW Sxx, Diesel, amtliches Kennzeichen ...7 mit der Fahrgestellnummer ...3 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung bei den Rechtsanwälten xx in Höhe von 1.358,86 EUR freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers und die der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz trägt der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
VI. Streitwert für das Verfahren in erster Instanz: Streitwertstufe bis 30.000,00 EUR
Streitwert für das Berufungsverfahren: Streitwertstufe bis 25.000,00 EUR.
Gründe
A. Die Klagepartei begehrt mit ihrer Klage von der Beklagten Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw, der vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist.
Die Klagepartei erwarb am 05.08.2015 bei der Fa. Axx, den Pkw Sxx, zum Kaufpreis von brutto 33.350,00 EUR (Anl. K 2). Es handelte sich um einen Neuwagen, der bei Übergabe an die Klagepartei einen Kilometerstand von 0 km aufwies. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 der Emissionsklasse Euro-5 verbaut. Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klagepartei eine EG-Typgenehmigung nach der Euro-5-Norm vor. Die bei dem Fahrzeug verbaute Motorsteuergerätesoftware weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus eins, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus null betrieben, was zu höheren Emissionen führt.
In einer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 informierte die Beklagte über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA 189. Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrtbundesamt bezüglich der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträgliche Nebenbestimmungen, da es davon ausging, dass die verwendete Motorsteuersoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält. Hierauf entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das vom Kraftfahrtbundesamt für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs freigegeben wurde. Die Klagepartei ließ das Software-Update bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufspielen.
Die Klagepartei beauftragte die jetzigen Klägervertreter mit der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche (Anl. K 2 zur Berufungsbegründung v. 04.11.2019, GA 187).
Die Klagepartei hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Verhalten der Beklagten erfülle den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorsteuersoftware sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007. Der Einbau der Motorsteuersoftware sei mit Wissen und Wollen des Vorstands und Mitarbeitern der Beklagten erfolgt. Das Wissen ihrer handelnden Repräsentanten müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.
Wenn die Klagepartei von dem Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, so hätte sie das Fahrzeug nicht erworben. Sie könne deshalb von der Beklagten Schadensersatzes in Höhe des an die Verkäuferin bezahlten Kaufpreises von der Beklagten verlangen. Im Rahmen der Rückabwicklung sei ein Nutzungsersatz unter Berücksichtigung einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km in Abzug zu bringen, weshalb ihr ein Anspruch auf Zahlung von 26.124,17 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gegen die Beklagte zustünde. Daneben hat die Klagepartei Deliktszinsen aus § 849 ab der Zahlung des Kaufpreises verlangt, wobei im Klageantrag Ziffer 3 ausgerechnete Zinsen für den Zeitraum vom 12.08.2015 bis 30.03.2019 in Höhe von 4.846,2...