Leitsatz (amtlich)
Unbeachtlichkeit einer isolierten Rüge der Unvollständigkeit der dem Treuhänder überlassenen Unterlagen im Prozess um die Rechtmäßigkeit von Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung
Normenkette
VVG § 203
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.03.2023; Aktenzeichen 47 O 607/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.03.2023, Az. 47 O 607/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 313 a Abs. 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen sind weder in formeller Hinsicht (1.) noch in materieller Hinsicht (2.) zu beanstanden.
1. Die Anpassungen zum 01.10.2018, zum 01.01.2019, zum 01.01.2020 sowie zum 01.01.2021 in den Tarifen des Klägers und L. M. sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, weil sie den Anforderungen genügen, die § 203 Abs. 5 VVG an eine ordnungsgemäße Beitragsanpassung stellte.
a) Nach der Rechtsprechung des IV. Senats des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 -, VersR 2021, 240) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Beiträge nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Beitragshöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. In den Mitteilungen muss allerdings weiter auch der Hinweis enthalten sein, dass bei der konkreten Beitragserhöhung ein in Gesetz oder Tarifbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist (BGH, Urteil vom 31.08.2022 - IV ZR 252/20 -, Rn. 13, zitiert nach juris).
b) Diesen Anforderungen werden die in Rede stehenden Beitragsanpassungen gerecht.
aa) Für die Beitragsanpassungen der Beklagten zum 01.01.2018 sowie zum 01.01.2019 hat dies der Senat bereits entschieden, vgl. Urteil vom 02.03.2023, 7 U 284/22.
(1) Bezüglich der Anpassung zum 01.01.2018 hat die Beklagte im Schreiben vom 24.11.2017 (Anl. B 2, Bl. 3 LG-eAkte Anlagenheft Beklagte) wie folgt informiert:
"[...] im Krankheitsfall können Sie sich auf die Leistungen verlassen, die Ihnen zustehen. Das sichern wir Ihnen vertraglich zu. Deshalb vergleichen wir für jeden Tarif die berechneten und die tatsächlichen Ausgaben.
Dieser Vergleich ergab, dass die Ausgaben für Gesundheitsleistungen innerhalb der Versichertengemeinschaft in Ihren Tarifen insgesamt höher ausfielen als ursprünglich berechnet. Daher erhöht sich Ihr Beitrag ab Januar 2018.
In dem bezeichneten Schreiben wird darüber hinaus am Ende darauf hingewiesen, dass die im Vertrag des Klägers von der Beitragsanpassung jeweils betroffenen Tarife durch Fettdruck der Beiträge in der Spalte "Beitrag ab 01.2018" kenntlich gemacht wurden.
Eine entsprechende Kennzeichnung ist im zugehörigen Nachtrag zum Versicherungsschein bei den eingangs genannten Tarifen auch erfolgt.
(2) Zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019 hat die Beklagte mit Schreiben vom 26.11.2018 (Anl. B 2, Bl. 29 LG-eAkte Anlagenheft Beklagte) mitgeteilt:
"Ihre dauerhaft garantierten Versicherungsleistungen sind unser Versprechen an Sie und geben Ihnen Sicherheit im Krankheitsfall. Dies wollen wir Ihnen stets verlässlich bieten. Dafür vergleichen wir jährlich für jeden Tarif die tatsächlichen mit den kalkulierten Leistungsauszahlungen.
In derKrankenversicherungändern sich die Beiträge, da die Ausgaben für Gesundheitsleistungen höher bzw. niedriger ausfielen als ursprünglich erwartet."
Auch in diesem Schreiben wird darüber hinaus am Ende darauf hingewiesen, dass die im Vertrag des Klägers von der Beitragsanpassung jeweils betroffenen Tarife durch Fettdruck der Beiträge in der Spalte "Beitrag ab 01.2019" kenntlich gemacht wurden.
Eine entsprechende Kennzeichnung ist im zugehörigen Nachtrag zum Versicherungsschein bei den eingangs genannten Tarifen auch erfolgt.
(3) Der Kläger konnte daraus jeweils mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass jeweils eine Veränderung der Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (Senat, Urteil vom 09.06.2022 - 7 U 418/21; Senat, Urteil vom 24.02.2022 - 7 U 167/21; zur Erhöhung zum 01.01.2018 auch Senat, Beschlüsse vom 21.12.2022 und 27.01.2023 - 7 U 464/22).
Es wird nicht nur in allgemein gehaltener Form die jährliche Durchführung der Beitragsüberprüfung beschrieben, sondern vielmehr - in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in ausreichendem Maße - auch das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mit...