Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich sind im Berufungsrechtszug keine Verkehrsanwaltskosten zu erstatten. Eine Ausnahme kommt aber dann in Betracht, wenn es der Partei – auch unter Anlegung eines strengen Maßstabes – nicht zugemutet werden kann, ihren auswärtigen Prozessbevollmächtigten persönlich oder schriftlich zu unterrichten, weil der Rechtsstreit einen besonders komplexen Streitstoff betrifft, der sich ggü. der ersten Instanz ausgeweitet hat und sich nur schwer darstellen lässt.
Normenkette
ZPO § 91; BRAGO § 52
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 7 O 634/99) |
Tenor
I. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss wird geändert:
Die nach dem Urteil des OLG Zweibrücken vom 14.3.2002 von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 11 554,52 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 19.4.2002 festgesetzt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 859,59 Euro festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Der Beklagte hat i.H.v. weiteren 3.859,59 Euro einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger.
Die Rpflegerin hat ausgeführt, dass die durch die Beauftragung eines Verkehrsanwalts entstehenden Kosten nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erstattungsfähig sind. Sie hat weiter dargelegt, dass die Erstattungsfähigkeit in der Berufungsinstanz für den Regelfall verneint werden muss, weil der Berufungsanwalt aus den Handakten des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten und aus den Gerichtsakten ein umfassendes Bild vom gesamten entscheidungserheblichen Sach- und Streitstand zu gewinnen vermag. Dies trifft im Ausgangspunkt zu und entspricht auch der Rechtsprechung des Senats (vgl. für alle etwa Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rz. 13 „Verkehrsanwalt” m. zahlr. w.N.). Von den genannten Grundsätzen kommen aber Ausnahmen in Betracht, wenn es der Partei nicht zugemutet werden kann, ihren auswärtigen Prozessbevollmächtigten persönlich oder schriftlich zu unterrichten (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rz. 13 „Verkehrsanwalt”; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 91 Rz. 220, jew. m.w.N.). Je nach Lage des konkreten Einzelfalls kann dies dann der Fall sein, wenn es sich um einen besonders komplexen Streitstoff handelt, der sich ggü. der ersten Instanz ausgeweitet hat und sich nur schwer darstellen lässt (vgl. dazu etwa OLG Koblenz JurBüro 1987, 1674; JurBüro 1991, 244; v. 6.9.1995 – 14 W 518/95, NJW-RR 1996, 315; OLG Hamburg JurBüro 1990, 888, jew. m.w.N.). Im hier zu entscheidenden Fall liegen – auch unter Anlegung des gebotenen strengen Maßstabes – die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme vor.
Der Berufungsanwalt konnte aus den Handakten des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten und den Gerichtsakten kein umfassendes Bild vom Sach- und Streitstand gewinnen. Bei seiner gegenteiligen Würdigung übersieht der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss, dass der Kläger seine Klageforderung abweichend von seinem erstinstanzlichen Vortrag begründet hat. Er hat die Klage im Berufungsrechtszug nicht mehr auf die Vereinbarung vom 16.11.1995, sondern auf die gesetzlichen Regeln der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses (§ 2038 BGB) und der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) gestützt. Dazu hat er unter entsprechender Ausweitung seines erstinstanzlichen Vorbringens auf über 100 Seiten seiner Berufungsbegründung dargelegt, welche Einzelaufwendungen er in den Jahren 1978/1979 bis 2000 getätigt haben will. Dieses Vorbringen hat er im Verlauf des Berufungsverfahrens noch mit weiteren umfangreichen Ausführungen ergänzt und vertieft. Der Beklagte hat darauf jeweils in ebenso eingehender Weise erwidert. Zudem ist in zweiter Instanz ein letztlich erfolglos gebliebender Gütetermin durchgeführt worden, der von den Parteien schriftsätzlich vorbereitet worden ist. Durch all dies wird eine weit über das übliche Maß hinaus gehende Komplexität des Streitstoffes deutlich, angesichts derer es dem Beklagten nicht zuzumuten war, seinem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die notwendigen Informationen jeweils schriftlich zu erteilen. Ebenso wenig hätte er sich zur Vorbereitung seiner Verteidigung im Berufungsrechtszug auf ein oder zwei Besprechungstermine zur Unterrichtung seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beschränken können. Unter zusammenfassender Würdigung sämtlicher Besonderheiten des Einzelfalls kann dem Beklagten das Recht, sich auch während des Berufungsverfahrens von seinem in die Sache eingearbeiteten Korrespondenzanwalt unterstützen zu lassen, aus Kostengründen nicht abgesprochen werden. Dies gilt umso mehr, als nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beklagten sein Verkehrsanwalt nach wie vor außergerichtlich mit dem Kläger zum Zwecke einer gütlichen Einigung weiterverhandelt hat.
Der Beklagte kan...